DIE MAGIER DES PURPURNEN LICHTS
Ein Metaspiel als Unterrichtsmethode
Das analoge Spiel "Die Magier des purpurnen Lichts" wurde von mir in Anlehnung an eine Idee von Thomas Berndhäuser entwickelt.
Es handelt sich dabei nicht um das Prinzip des klassischen Lernspiels, welches mehr oder weniger unmittelbar Unterrichtsinhalte einüben oder aufbereiten soll. Vielmehr ist es ein Spiel, das die gesamte Lerngruppe in einer längeren Unterrichtsphase flexibel über mehrere Wochen begleitet. Die Lehrperson übernimmt dabei die Rolle der Spielleitung.
Das Spiel wird somit zur Methode, die für die Schüler:innen eine hohe Motivation erzeugen kann, sich eigenständig auf die Suche nach Lernzielen zu begeben und sich selbständig Lerninhalte anzueignen. Zugleich werden sie angeregt, ihre neu erworbenen Kompetenzen mit den Mitschüler:innen auszutauschen beziehungsweise Strategien zu entwickeln, Inhalte zu vermitteln.
Eine kompakte Spieldarstellung
"Im Gebirge des Inselreichs der magischen Feen und Zauberer erstrahlt ein purpurnes Licht. Man sagt, es leuchte aus einer silbernen Quelle. Wer zu ihr gelangt, wird vom Licht durchflutet und schöpft daraus unendliche Weisheit. Seit Jahrtausenden hat es niemand gewagt, sich in dieses Gebirge zu begeben, denn das Licht verbannt alle auf Ewigkeit, die es nicht mit Artefakten besänftigen."
So steht es in der Einleitung zur Spielregel geschrieben. Zum Ziel des Spiels:
Jedes Team spielt einen Magier mit individuellen Fähigkeiten. Dieser erforscht ein Inselreich auf der Suche nach Artefakten. Sobald er genügend zusammengetragen hat, überbringt er sie dem purpurnen Licht im Gebirge. Wer das zuerst geschafft hat, gewinnt das Spiel.
Der Spielablauf gestaltet sich wie folgt:
Zu jeder Runde geben die Magier schriftlich einen Spielzug bei der Spielleitung ab. Darin wird genau beschrieben, welchen Weg sie nehmen möchten und welche Aktionen und Artefakte sie wann und wie einsetzen möchten. Sind alle Spielzüge eingegangen, werden sie gemeinsam in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt und ausgewertet. Genaue Vorausplanung beim Spielzug ist also wichtig, damit es nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt.
Dieser Mechanismus hat den großen Vorteil, dass das eigentliche Spiel, das Austüfteln der Spielzüge, außerhalb des Unterrichts stattfindet und es keine Downtime gibt.
Um gut voranzukommen, benötigen die Magier Tapferkeit, Zauberkraft und Purpur. Diese können sie sich "verdienen" oder durch Aktionskarten bekommen. Die wiederum erhalten sie für ihre (grundsätzlich freiwilligen) Beiträge zum Lernprozess der gesamten Lerngruppe. Das Aufspüren der Artefakte verschafft zusätzliche Vorteile und ist ein weiterer Anreiz, möglichst zielgerichtet zu agieren.
Ein grober Überblick
Bis zu acht Magier:innen lassen die Lernenden ein Inselreich erforschen. Dabei können Gruppen von einem bis fünf Spieler:innen jeweils ein Magierteam bilden, wodurch das Spiel für Lerngruppen von fünf bis weit über dreißig Personen geeignet ist. Auch das Spielfeld selbst ist modular angelegt. Zusammen mit flexiblen weiteren Steuerungselementen kann der Spielumfang und somit die Spieldauer nach Bedarf angepasst werden. Zwei Doppelstunden pro Woche angenommen, kann man so über zirka fünf bis 12 Wochen spielen.
Das Spiel funktioniert komplett analog, auch wenn es ein Leichtes wäre — und komfortabel —, alles digital im Browser stattfinden zu lassen. Die besonderen lernförderlichen Reize des Analogen muss ich hier nicht erläutern. Wesentlich ist das Zusammenkommen der Spielenden vor dem Spielplan, das gemeinsame Erleben des Spielgeschehens.
Ich bezeichne dies gern als "Lagerfeueratmosphäre".
Das Neue, Besondere des Spiels liegt darin, dass es keinerlei Lerninhalte vermittelt, sondern ein "ehrliches" echtes Spielerlebnis verschafft. Das Spiel wird dadurch zur Methode, welche die Lernenden motiviert, sich eigenständig auf die Suche nach Lerninhalten und insbesondere auch Vermittlungsstrategien für die ganze Gruppe zu begeben.
Um die Reise ihrer Magier erfolgreich (und möglichst siegreich) zu gestalten, müssen die Teams sowohl kooperieren als auch sich austricksen. Nur wenn sie aktiv den Lernprozess vorantreiben oder sich für die Gruppe engagieren, können die Magierteams sich Vorteile verschaffen, beispielsweise Zauberkraft generieren, höhere Reichweiten erlangen oder besondere Aktionsmöglichkeiten erhalten, mit denen sie anderen ein Schnippchen schlagen oder unwegsames Gelände besser bewältigen können. Eine gesunde Mischung aus Mit- und Gegeneinander bestimmt den Reiz des Spiels.
Eine Beleuchtung der Einsatzmöglichkeiten
Artefakte sind es (ein paar davon sind links zu sehen), die die Magier:innen einsammeln und dem purpurnen Licht überbringen müssen, um ewige Weisheit zu erlangen beziehungsweise das Spiel zu gewinnen. Das macht erfahrungsgemäß allen im Alter von 10 bis 100 Spaß, was gar nicht so erstaunlich ist, weil dies auch auf die meisten 4X-Brettspiele zutrifft (4X steht für explore, expand, exploit, exterminate).
In der Praxis, bei den bisherigen Testspielen an verschiedensten Bildungseinrichtungen, hat sich gezeigt, dass Schüler:innen ab der 5. Klasse bis hin zu Studierenden gleichermaßen Freude an diesem Wettrennen hatten:
Die etwa 20 Testpartien fanden mit Fünftklässlern an einer Gesamtschule im ländlichen Raum (Deutsch, Sozialkunde), mit Gymnasialschüler:innen aller Klassenstufen an unterschiedlichen Schulstandorten (Mathematik, Biologie, Englisch, Geschichte) oder auch mit Studierenden an Hochschulen (für Wirtschaftsinformatik in Tirol oder im Fachbereich "Game Studies" im Ruhrgebiet) statt.
Eine Kollegin "übersetzt" die Spielregel und alles Zubehör aktuell in Leichte Sprache, um so auch Schüler:innen mit Förderbedarf einen Zugang zu ermöglichen. Ein Modul mit abgespeckten Regeln für Lernende an Grundschulen ist in Vorbereitung. Ebenso erprobt ein Kollege das Spiel gerade in der Erwachsenenbildung.
Die Rückmeldungen sind weitgehend positiv insofern, als dass in jedem Fall ein neuer Impuls für die Lernprozesse durch diesen spielerischen Zugang ausgelöst wird. Bisherige soziale Konstellationen in der Lerngruppe werden aufgefrischt und angenehm durchmischt. Die Lehrperson als Spielleiter:in verlässt das Instruktive, nimmt stärker die Rolle des Begleitens und Beobachtens ein. Eine höhere Lernselbstständigkeit bildet sich aus, auf der anderen Seite müssen mit Augenmaß passende Unterstützungsangebote von der Spielleitung kommen. In Summe lobt die Lehrperson deutlich mehr als zuvor!
Ein paar Appetithäppchen
Die Magier:innen können den Teams zugelost werden. Oder du lässt die Lerngruppe überlegen und dann gemeinsam entscheiden, wie die Teams an ihre Magier gelangen können. Bereits dies kann ungeahnte Diskussionen mit spannenden Ansätzen zur Spieltheorie auslösen!
Das Spiel und die Magier:innen sind bewusst in einer Fantasiewelt angelegt, damit wir uns auf neutralem, unbelastetem Terrain bewegen. Grafische Lösungen zu finden, die möglichst viele Menschen gleichermaßen ansprechen, ist nicht leicht ...
Das "Leckerli" im Spiel sind die Aktionskarten. Meine begriffliche Anspielung auf das Prinzip der Konditionierung (unter anderem im Tiertraining) kommt nicht von ungefähr:
Man kann dem Spiel und somit auch der Lehrperson durchaus diesen miesen, in der Pädagogik ja eher geschmähten Trick zum Vorwurf machen. — In der Praxis zeigt sich, dass es funktioniert. Teams, die etwas Sinnvolles zum Lernfortschritt beitragen, werden mit Aktionskarten belohnt. Fertig! Aus! Läuft (von selbst)!
Die blauen Aktionskarten können jederzeit eingesetzt werden. Das sorgt für manchen Überraschungsmoment! Die violetten Aktionskarten sind mehr für Planerinnen und Strategen gedacht. Sie müssen nämlich in den eigenen Spielzug eingebaut werden, was Weitsicht und gegebenenfalls Absprachen mit anderen Teams erfordert, damit man sich nicht selbst ein Bein stellt.
Ich habe Schüler:innen erlebt, die für die Aktionskarten kleine Aufbewahrungskistchen bauen, um sie darin wie einen Schatz zu hüten. Andere Magierteams haben sich passende Buttons gebastelt oder sind mit T-Shirt und Base-Cap in der Farbe ihres Teams zur Schule gekommen.
Die Spielzüge werden (natürlich analog!) auf liebevoll gestalteten Zetteln notiert, mit Zeichnungen verziert oder in Gedichtform verfasst. Und wenn die Spielleitung erfreut ist, gibt es dafür ein "Purpur" (die Währung im Spiel), warum auch nicht? Über Purpur freuen sich übrigens 40-jährige genauso wie Sechstklässler, das nur am Rande.
Wenn du Interesse an den "Magiern" hast, wende dich gern an mich.
Johannes Grimm
