TRADITION UND FORTSCHRITT
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Tradition und Fortschritt - Kontinuität 
und Wandel
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Gedanken zum Jubiläum Tradition und Fortschritt – Kontinuität und Wandel – unter diese Überschrift kann ein Rückblick auf die hundertjährige Geschichte der Sophienschule gestellt werden. 

Das Bewährte fortentwickeln, ohne in der Vergangenheit zu verharren, Neues wagen, ohne dem Zeitgeist hinterherzulaufen, dies war und ist das durchgängige Konzept aller Generationen, die in und mit der Schule gewirkt haben, ein Konzept, das alle Fährnisse der Geschichte hat bewältigen lassen.

Schon die Gründung der Schule 1897 war ein Wagnis und wurde mit Skepsis be-trachtet; der Gedanke der Gleichberechtigung der Frauen existierte keineswegs in den Köpfen der Verantwortlichen, und der hannoversche Magistrat tat sich schwer, etwas für die Mädchen dieser Stadt und damit für die Frauenemanzipation zu tun.

Immerhin wurde ein vorsichtiger Schritt mit der Errichtung von „Gymnasialkursen für Mädchen“ getan. Es bedurfte vieler Mühen und Initiativen, bis endlich im Jahre 1910 das Abitur erstmals an der Schule selbst und nicht extern abgelegt werden durfte.

Mit der Errichtung des Gebäudes im Jahre 1900 wurde ein wegweisender architektonischer Schritt getan, der durch die Verleihung einer Medaille und eines Diploms auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis gewürdigt wurde. Noch heute können wir stolz auf das Gebäude sein, das eine bewährte Architektur nach wiederholtem Umbau mit modernen Elementen bei der Ausstattung z.B. in den Naturwissenschaften und der Informatik verknüpft.

Brüche und Krisen waren zahlreich in der Geschichte der Schule. Die Nöte der frühen zwanziger Jahre, die nationalsozialistische Diktatur, die Zerstörung des Gebäudes im 2. Weltkrieg, die Einführung der Orientierungsstufe mit dem Verlust der 5. und 6. Klassen seien hier beispielhaft genannt.

Resignation kam immer nur kurzzeitig zum Ausdruck. In der Chronik ist zu
lesen, dass die Schule auf die Feier des 25-jährigen Jubiläums verzichtet hat: „Allerdings war die Not der Nachkriegszeit so groß, dass das 25-jährige Jubiläum nicht schon 1922, sondern erst 1925 begangen wurde.“
Gedanken zum Jubiläum nicht schon 1922, sondern erst 1925 beganngen wurde."

Für uns heute hat dies den unbestreitbaren Vorteil, zweimal, nämlich 1997 im
Großen Garten von Herrenhausen und heute im Frühjahr 2000, feiern zu können.
A propos „Feiern“: an der Sophienschule schon immer ein konstitutives Element
der Pädagogik und heute ein Element der Bildung von Gemeinschaft.
Im Kaiserreich gab es ausweislich der Chronik im Lauf eines Jahres folgende Ver-anstaltungen
– die Feier anlässlich der Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers in Hannover,
– die Goethefeier,
– ein Schulfest im Tiergarten,
– die Schillerfeier,
– die Kaiser-Geburtstags-Feier,
– die Weihnachtsfeier,
– mehrere Auftritte der Schulchöre.
Auch heute gelingt es immer wieder, gemeinsam zu feiern und Gemeinschaft zu
leben, bei zunehmender Vereinzelung und neuen Kommunikationstechniken ein
höchst modernes pädagogisches Anliegen.

Schulfeste, Bälle, Konzerte, Theateraufführungen seien hier nur beispielhaft genannt. Hier haben sich bewährte Traditionen in die Moderne fortentwickelt. Ein
besonderes und – wie ich meine – bewährtes und fortentwickeltes Element ist die
Landheimbewegung, die ihren Ausgangspunkt in den zwanziger Jahren dieses
Jahrhunderts hatte und bei uns mit modernen Fragestellungen weiterentwickelt
wurde. So stellt das Landheim eine glückliche Symbiose von Tradition und Fortschritt dar und bleibt damit unverzichtbar auch für die Zukunft.

Viele weitere Traditionen wurden begründet, etwa das Unterwegssein: Die Schulfahrten sind nach wie vor ein konstitutives Element der Sophienschule. Heute
geht es allerdings nicht mehr zum Hermannsdenkmal oder auf den Gehrdener Berg: Rom, Prag, London, Wien sind oft die Ziele.

Die Begründung von Schulpartnerschaften, verbunden mit entsprechendem Schü-leraustausch, sind – nach früheren Kontakten mit dem Ausland (Athen, Bristol) – seit mehr als zehn Jahren wieder eine Bereicherung des Schullebens: Rouen, Sakhnin, Krotoszyn, Städte, die sich lohnen, Menschen, die sich kennenlernen und verstehen, Jugendliche, die gemeinsam die Zukunft in einer hoffentlich friedvollen Welt gestalten.

Die Ruderwanderfahrten und Exkursionen ergänzen das Reiseprogramm.

Die Öffnung von Schule über den Unterricht als zentrale Aufgabe der Schule hinaus
bestimmt das Bild der „Sophie“ heute wesentlich mit. Diese Öffnung bringt Belastungen, aber sie ist zugleich eine unverzichtbare Bereicherung.

Die Sophienschule, wie sie war und wie sie sich heute darstellt, ist das Ergebnis
des Engagements der Lehrer und Lehrerinnen, des Zusammenwirkens mit den
Eltern – sichtbarer Ausdruck ist der Verein der Freunde und Förderer der Sophienschule – und das „Sicheinbringen“ der Schüler – beispielhaft hierfür sei der „Götter-bote“ angeführt.

Allen, die in dieser Schule in der Vergangenheit mitgewirkt haben, die die Gegenwart prägen und die Zukunft gestalten, sei hier ein herzliches „Dankeschön“ gesagt.

Dank sagen möchte ich auch allen jenen, die mit viel Aufwand die zahlreichen Veranstaltungen anlässlich des Jubiläums erst ermöglichen, nicht zuletzt jenen, die diese Festschrift erstellt haben. Das Jubiläum soll sichtbarer, nachvollziehbarer
Ausdruck der Verbindung von Tradition und Moderne sein und deutlich machen,
dass wir zwar in der Tradition ruhen, aber gerade deshalb Zukunft zu gestalten
vermögen.

Reinhard Apel

 
 
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.© 2002 Sophienschule Hannover