"Immer
mal wieder":
Abituraufgaben im Fach
Deutsch |
Das
Thema ging einen nichts an, aber man schrieb“, berichtet in einer Mischung
von Resignation und Sarkasmus der Erzähler in H. Manns Roman ‚Professor
Unrat‘. Ob Sie sich dieser Einschätzung anschließen müssen,
wenn Sie sich an Ihre eigenen Schulaufsätze, gar an das Abiturthema
erinnern? Sie allein wissen es, auch die Schüler des literarisch legendär
gewordenen Gymnasiallehrers Rat, genannt Unrat, wussten es, haben es selbst
erlebt. Dieser Professor Unrat hatte ‚immer mal wieder‘, er liebte übrigens
diese kleinen rhetorischen Versatzstücke, seinen Sekundanern, die
er wie alle seine Schüler „als Erbfeinde“ behandelte, eine Aufgabe
zugemutet, die auf den ersten Blick wohl, bei näherem Hinsehen allenfalls
zu bearbeiten, aber nicht zu lösen war, nämlich ein Zitat aus
Schillers Jungfau von Orleans (I,10): „Johanna, es waren drei Gebete, die
du tatst; gib wohl acht, Dauphin, ob ich sie dir nenne!“ (Nun das eigentliche)
Thema: Das dritte Gebet des Dauphins. ‚Aufgemerkt nun also‘, nicht zu lösen,
eigentlich aber auch nicht zu bearbeiten, denn „der Dauphin ließ
sich ja von der Prophetin nur zwei seiner nächtlichen Bitten wiederholen;
das genügte ihm, um an Johannas Gottgesandtheit zu glauben. Die dritte
stand schlechterdings nicht da, ... aber man schrieb“, auch der Schüler
Lohmann, den Unrat hasste – „beinahe mehr als die anderen wegen seiner
unnahbaren Wider-setzlichkeit“; Lohmann stellte in seinem Aufsatz lakonisch
wie selbstbewusst fest: „Suchen wir nicht lange: er (der Dauphin) weiß
es selbst nicht. Johanna weiß es auch nicht. Schiller weiß
es auch nicht ... Unrat, den ein Zittern beschlich, kam jäh zu der
Erkenntnis, diesen Schüler zu beseitigen, vor diesem Ansteckungsstoff
die menschliche Gesellschaft zu behüten ...“
‚Vorwärts
nun also‘, was könnten die Räte von heute, sofern sie Unräte
geblieben sind, daraus gelernt haben, dass auch sie bis heute keine rechte
Antwort wissen, nicht wissen können? Sie könnten sogleich ein
neues Thema daraus machen, könnten mit üblich kaltblütigem
Geschick die gängigen Bearbeitungshinweise hinzufügen, – und
schon wäre die moderne Schulgegenwart überraschend lebendig,
ausgedacht zwar, aber fast wirklich! Das läse sich dann so:
Deutsch
Grundkurs, Jahrgang 12, Text: H. Mann, Professor Unrat, S. ..., Aufgaben
a)
Ordnen Sie den vorgegebenen Text so in den Geschehenszusammenhang ein,
dass zugleich auch Erzählweise und sprachliche Gestaltung deutlich
werden.
b)
Untersuchen Sie die Beziehungsstrukturen, die erkennbar werden, und was
sich
darin widerspiegelt.
c)
Überprüfen Sie, ob und inwiefern sich Ihre eigene Schulwirklichkeit
von der der
Jahrhundertwende unterscheidet.
‚Traun
für wahr‘, das kommt Ihnen, steht zu vermuten, wenn Sie an Ihr eigenes
schulisches Aufsatzleben zurückdenken, irgendwie bekannt vor. Erinnern
Sie sich? Auch Sie hat also ‚immer mal wieder‘ diese situative Hilflosigeit,
dieses Gefühl des Ausgeliefertseins erfasst: „Das Thema ging einen
nichts an, aber man schrieb.“ Ob es wirklich so war? Sie allein wissen
es und haben doch vieles schon in Ihrer Erinnerung milde verwandelt, wenn
nicht schlicht vergessen, aber das Abiturthema im Fach Deutsch vermutlich
nicht, sofern Sie, die Reform der gymnasialen Oberstufe hat es möglich
gemacht, überhaupt noch daran teilnehmen wollten.
Wie
sieht die Bilanz der Abituraufgaben im notwendigerweise subjektiv akzentuieren-den
Rückblick auf hundert Jahre Schulgeschichte aus? Bei Durchsicht der
Themen im Fach Deutsch an der Sophienschule (seit 1910 liegen sie, wenn
auch unvollständig, vor) treten die oben vermuteten persönlichen
Erfahrungen und Erlebnisse aus guten Gründen zurück, werden allenfalls
auf diesem Erinnerungsgrund im Geiste dessen, was Schule in der Karikatur
Unrats vorurteilsbeladen wie wirkungsmächtig abbildet, individuell
unterschiedlich eingefärbt.
Aber
aufgehoben in den ausgewählten Themen bleiben dennoch Selbstverständnis
und Zeitgeist des Deutschunterrichts, die problematische Rolle der Literatur
im Kontext der Ereignisse und Katastrophen dieses Jahrhunderts, auch ihre
totale Abwesenheit, Mut und Ohnmacht der literarisch Gebildeten (nicht
nur der Aufga-bensteller), Verblendung und (verzweifelte?) Selbstaufgabe
der Zeitgeister, die dem Ungeist Tür und Tor öffnen wollten bzw.
mussten oder vielleicht sogar sich verweigerten, wenigstens sich subversiv
zu entziehen versuchten. Aus der Ferne bleibt in diesem Sinne vieles offen,
anderes aber ist beschämend eindeutig.
So
taucht unter den vier Vorschlägen des Abiturjahrganges 1931, auf die
damit aufgerufenen schwierigen Zeiten der ausgehenden Weimarer Republik
richtet sich natürlich sofort der Chronistenblick, das verdächtig
ambivalente, zugleich zeitty-pische wie fachfremde Thema auf: Welche politischen
Geschehnisse und Entwicklungen führen zur Einkreisung Deutschlands
vor dem ersten Weltkrieg? 1932, eher unverdächtig auf den ersten Blick,
Welche Werte lässt mich mein Alltag erleben? oder Der Tod (Plastiken
von Riemenschneider und Barlach), vermutlich noch vor der Macht-ergreifung,
jedenfalls aus der Sicht des Zeitpunktes der eingereichten Aufgaben, 1933,
ein Text des nach 1945 mit Schreibverbot belegten E. Kolbenheyer, der „versuchte,
als Dichter und Philosoph eine biologisch unterbaute, mystisch – antiindividualis-tische
und unidealistische Lebenslehre von der notwendigen Unterordnung in Art
und Volk darzustellen ...“ (G. v. Wilpert, Deutsches Dichterlexikon): Wenzel
Tiegels Verhältnis zur Umwelt ist darzulegen und zu begründen.
1934
aber wird schlagartig alle Zurückhaltung aufgegeben, denn nun liegt
unmiss-verständlich das Gewicht auf Thema 4 der Vorschläge: Eine
biologische Mahnung Adolf Hitlers: Du bist nichts, dein Volk ist alles.
Ob diese unauffällig auffällige Lancierung der Themenwahl über
die Jahre hinweg gewollt war, wie es den Anschein haben könnte, gerade
weil jeweils mehrere Themen zur Auswahl standen, oder diese mehr als nur
Alibifunktion hatten, ist nicht zweifelsfrei zu belegen, denn so unverfängliche
Aufgaben wie: Realistisches und Mystisches in G. Hauptmanns Bahnwärter
Thiel und Fuhrmann Henschel (1931); Die Gestalt der Alten in Brentanos
Geschichte vom braven Kasperl und der schönen Annerl (mit Text), 1932,
Vergleich dreier Herbstgedichte (Goethe, Lenau, Zweig), 1933, begleiten
deutlich unpolitisch einerseits die unübersehbare Tendenz andererseits,
so scheint es wenigstens, auf den neuen Geist einzugehen bzw. gezielt auf
ihn einzustimmen, so dass ein Ausweichen zwar noch möglich, sicherlich
aber keine Auseinandersetzung geboten oder gar erwünscht war. Wie
schließlich dieses Ausweichen 1934 bereits ansatzweise unterbunden
werden kann, – noch besuchen jüdische Schülerinnen die Schule
–, zeigen die weiteren zur Wahl gestellten Themen auf bedrängende
Weise, weil Wider-spruch von Schein und Wirklichkeit bei genauerer Betrachtung
der tendenziösen Themen deutlich werden: Kunst und Spiel, die NS-Propagandainszenierungen
drängen sich unabweisbar auf; Das Abendmahl, Das Blutgeld, Die Gefangennahme
am Lettner des Naumburger Domes (Eine Besprechung anhand von Abbildungen),
man kann ahnen, was im Zusammenhang von Deutschem Christentum dazu zu Papier
gebracht werden konnte, schließlich: Gehalt und Gestalt von H. Burtes
Novelle „Der besiegte Lurch“, Werk eines bewusst völkischen Dichter(s)
eines germanischen Sendungsbewusstseins (G. v. Wilpert). Ein Kommentar
erübrigt sich!
Nach
diesem zeitgeschichtlichen Vorgriff zurück zu den Anfängen. Das
erste Abitur-thema an der Sophienschule selbst, das die Schulchronik überhaupt
überliefert, Reifeprüfungen abzulegen, war extern für Sophienschülerinnen
schon ab 1904 möglich, gab einen Satz von Fischart vor, einem satirisch
polemischen wie humanistisch ironischen Volksschriftsteller und Sprachvirtuosen
(vgl. G. v. Wilpert) der Lutherzeit: Arbeit und Fleiß, das sind die
Flügel, sie führen über Strom und Hügel. Ob wohl die
selbstironisch distanzierende Spur dieser lexikalischen Charakteristik
in den Ausführungen der Prüflinge zu diesem Satz wiederzufinden
war? Eher unwahrscheinlich. Was zu tun war, wird – wie damals üblich
– nicht beigefügt, offen-bar wussten die Schülerinnen, die ihre
Reife nachzuweisen hatten, welche Denk- und Schreibrichtungen einzuschlagen
waren.
Allgemeines
Lernziel des Deutschunterrichts ist laut Schulbericht 1910: „Belebung der
vaterländischen Sinne durch liebevolle Beschäftigung mit unserer
Muttersprache, Befähigung zu ihrem richtigen mündlichen und schriftlichen
Gebrauche ..., Erschließung der bedeutendsten Werke unserer Nationalliteratur“.
Im Nachsatz die nicht minder bedeutende Kurzmitteilung: „Am 16.6.1909:
Wegen Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers Ausfall des Unterrichts“.
Das alles unter der den 11. Schulbericht einleitenden Selbstbeschreibung
zu Name und Einrichtung (u.a.): „Städtische Sophienschule mit Studienanstalt.
Kurse der realgymnasialen Richtung. Die erstgenannte Anstalt ist eine evangelisch-lutherische
höhere Mädchenschule“. Entsprechend dieser Vorgabe passt das
Abiturthema des Jahres 1911, – auch zum preußisch-wilhelminischen
Selbstverständnis insgesamt: Welche verschiedenen Kräfte haben
die Ausbreitung der lutherischen Reformation in Deutschland (bis kurz vor
dem Tode Luthers) bewirkt? Katholische Schülerinnen weist dieser Abiturjahrgang
nicht aus, wohl aber mosaische, wie jüdische Schülerinnen offiziell
konfessionell eingeordnet wurden. Genauso grundsätzlich wie im Jahr
zuvor fragt die Aufgabe von 1912: Inwiefern bilden Lessing und Herder
die notwendigen Voraussetzungen für Goethes Dichtung? und 1913:
Inwiefern ist die Helenadichtung wirklich „der Gipfel“ (Schiller) der ganzen
Goetheschen Faustdichtung geworden? Beiläufig, – könnte ein
Abiturient, eine Abiturientin von heute darauf eine Antwort geben, unabhängig
davon, ob sie wünschenswert wäre? Was die Schülerinnen damals
geantwortet, bestätigt, schließlich abgeliefert haben, ist nicht
bekannt. Auch für sie wird gegolten haben, was der unerschöpfliche
Zitatenborn im Jahr darauf hergab:
Es
irrt der Mensch, solang’ er strebt. Goethes Faust (Prolog im Himmel),
wir befinden uns am Anfang des Jahres 1914. Nomen est omen! Der 1. Weltkrieg
beginnt im August. Im Schulbericht Frühjahr 1915 fasst Oberlehrer
Dr. Roeder im Auftrag des Direktors zusammen: „Gewaltig waren die Wirkungen,
die der Krieg auf den äußeren und besonders den inneren Schulbetrieb
auslöste.“ Das Fach Deutsch lieferte auf seine Weise natürlich
einen vaterländischen Beitrag für die Reifeprüfung: Goethe
sagt: Der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein. Schiller: Der Mensch
ist frei geschaffen, ist frei, und wird er in Ketten geboren. Wie läßt
sich dieser Widerspruch auflösen?
Aus
dem Schulleben erfahren wir: „Was den deutschen Sprachunterricht während
des Krieges betrifft, so ist klar, dass ihm eine große vaterländische
Bedeutung zu-kommt.“ Es gilt „deutsches Fühlen und Denken, deutsche
Einrichtungen und Sitten gegenüber denen unserer Feinde ins rechte
Licht zu stellen .... Unsere Schülerinnen, angespornt durch die großen
Ereignisse und die Lektüre von Kriegsgedichten, haben auch selbst
Kriegsgedichte geschaffen.“ Fortan bleiben ausführliche Jahresberichte
und Abiturthemen aus. Die Schulchronik gerinnt zu statistischen Übersichten,
Trauerbekundungen, Aufrufen, behördlichen Anordnungen über „die
Notwendigkeit der Streckung der Lebensmittel“, angemahnt wird Sparsamkeit
im Gebrauch von Leder- und Wollstoffen, von Petroleum, vor allem Sparsamkeit
im Kohleverbrauch; Sammlungen von Goldwaren, Metall, Frauenhaar, Altgummi,
Kaffeegrund, Nähzeug, Eicheln und Kastanien, Obstkerne, Papier usw.
bestimmen den Schulalltag, Kriegsanleihen werden von Eltern und Kollegium
gezeichnet, Schulkonzerte für Kriegswaisen veranstaltet, Zigarren
an Verwundete verteilt, es geht um Feuerersatzmittel, Pilze, Arzneikräuter,
Hilfe bei der Kartoffelernte .... Die Prüfungen des Alltages lassen
alle anderen Prüfungen zurücktreten. Das Generalkommando und
das köng-lich preussische Schulkolleg erlassen in diesem Sinne eine
„strenge Mahnung ... an die hannoverschen Schüler und Schülerinnen,
das abendliche Auf- und Abgehen auf der Georgstraße zu vermeiden.“
Nichts mehr über Kriegsende, Abdankung des Kaisers, die ersten unsicheren
wie lebendigen Aufbruchsjahre der Weimarer Republik. Erst 1925, die Schule
feiert verspätet ihr erstes Jubiläum, tauchen wieder Abiturthemen
aus dem Schulorkus auf.
Im
Februar dieses Jahres stirbt der erste Präsident der Republik, Ebert.
Hindenburg wird sein Nachfolger. Wegen der Unterzeichnung der Verträge
von Locarno, die Deutschnationalen verweigern ihre Zustimmung, tritt wieder
einmal eine Regierung zurück, Stresemann ist Aussenminister, Konrad
Adenauer Oberbürgermeister in Köln, die verbotene NSDAP wird
neu gegründet, der erste Teil von Hitlers ‚Mein Kampf‘ veröffentlicht.
Thomas Manns Roman ‚Der Zauberberg‘ erscheint, Ernst Thälmann wird
KP-Vorsitzender, Gustav Hertz erhält den Nobel-Preis für Physik,
Hildegard Knef (ach!) wird geboren – widerspruchsvolle wie folgenreiche
Zeitgeschichte spiegelt sich unerträglich verträglich in dieser
überraschenden Zusam-menstellung. Das Reifeprüfungsthema 1925
bleibt davon unberührt: Naturalismus und Romantik in Hanneles Himmelfahrt
lautet die Aufgabe. Das preußische Kultusministerium setzt verstärkt
auf die Fächer Deutsch, Geschichte, Religion, Musik und Kunst, die
so genannten ‚Wandervogelfächer‘, um Kenntnisse über die deutsche
Geistesgeschichte zu vermitteln. Schon 1926 werden Wirkungen erkennbar:
Mein tiefster Eindruck von einem Menschen. Verschiedenheiten in der Auffassung
von der Dichtkunst nach (im Wortlaut vorgelegten) Äußerungen
von Puschmann, Opitz, Gottsched, Goethe, Schiller, Fr. Schlegel. Wer ist
Puschmann? Ein Meistersinger, hätten Sie’s gewusst? Alternativer Vorschlag
desselben Jahrganges: Die Innere Mission des 19. Jahrhunderts in ihrer
Auswirkung auf die soziale Gesetzgebung; 1927 ein Ausflug in die darstellende
Kunst, die von nun an immer wieder, bis in die späten 60er Jahre,
zu Aufgabenstellungen nach dem Schema des Vergleichs genutzt werden: Ähnliches
und Gegensätzliches in den Bildern von M. v. Schwind ‚Jüngling
auf der Wanderschaft‘ und H. Thoma ‚Taunuslandschaft‘. Keine Frage, dass
so Kunstsinn und Zeitgeist auf willkommene Weise einander dienstbar gemacht
werden konnten. Dass im selben Jahr, am Tag der Kalten Sophie, das Landheim
der Sophienschule eingeweiht werden kann, bestätigt nur den tieferen
Zusammenhang.
Die
vermeintlich ‚goldenen Zwanziger Jahre‘ geraten derweil in den unaufhaltsamen
Sog horrend steigender Arbeitslosenzahlen, Februar 1929 binnen eines Monats
von 2,22 Millionen auf 3,05 Millionen. Der sensationelle Bucherfolg des
Jahres gehört Remarques Antikriegsroman ‚Im Westen nichts Neues‘,
aber den Nobelpreis erhält Thomas Mann. Immerhin, eines der Reifeprüfungsthemen
des Jahres 1929 liegt im Trend dieses literarischen Ereignisses: Thomas
Manns Sprache in der Novelle Tonio Kröger.
So
geraten die 30er Jahre erneut in unseren Blick. Die NSDAP wird zweitstärkste
Partei. Die kritischen Zeitungen fragen: „Wer sind Hitlers Wähler?“
Der Film ‚Der blaue Engel‘ nach H. Manns Prof. Unrat startet seine Weltkarriere,
Marlene Dietrich inklusive, Heinz Rühmann ist einer der ‚Drei von
der Tankstelle‘ – Liebling, mein Herz lässt dich grüßen!
Noch können alle mitsingen. Bis Ostern 1938 liegen die Reife-prüfungsthemen
gewissermaßen als Zeitzeugen der NS-Diktatur vor. Unverkennbar ist,
das hat schon der erste Annäherungsversuch gezeigt, dass die Themen
zunehmend unter den Druck des heraufziehenden Ungeistes geraten, schließlich
ihn unverhohlen ausdrücken wollen bzw. müssen. Im Jahr der Nürnberger
Gesetze „zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, 1935,
entsetzt das gleich-geschaltete Thema: Meine Stellung zur Frage der Entnordung
und Aufnordung. Keine literarische Ehrenrettung, vermutlich eher Missbrauch
spiegelt die Aufgabe: Die Sinneswandlung des Prinzen in Kleists Schauspiel
‚Der Prinz von Homburg‘; lakonisch kurz: Deutsch die Saar immerdar, prompte
Reaktion auf die im Januar desselben Jahres erfolgreich abgeschlossene
Volksabstimmung; verblüffend aus heutiger Sicht die Frage von 1936:
Wie kann die Beschäftigung mit dem griechischen Altertum zum Aufbau
des dritten Reiches beitragen? Ebenso usurpatorisch machtergreifend wirkt
die Eroberung der Klassikergipfel: Wer immer strebend sich bemüht,
den können wir erlösen (Faust, mit Text). Das unausgesprochen
einvernehmliche völkische Missverstehen literarischer Themen ist einerseits
offenbar vorausgesetzte Spielregel, andererseits muss sie bedrohlich ausdrücklich
hinzugefügt werden: Was du ererbt hast von den Vätern, erwirb
es um es zu besitzen (Das Thema ist biologisch zu fassen). Das Gesetz über
die Hitlerjugend (§ 2), „Die gesamte deutsche Jugend ist außer
in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und
sittlich im Geist des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zu Volksgemeinschaft
zu erziehen“, findet sogleich seinen Niederschlag in dem Thema: Vererbung
und Erziehung. Der Biologieunterricht stellt Rassenkunde in den Mittelpunkt,
Geschichte wird als Siegeszug der germanischen Völker gedeutet: Bodenverbundenheit
als Erbe und Aufbau, 1937, im Jahr zuvor sollte Bezug genommen werden auf
eine Frucht des Landheimaufenthaltes: Welchen Gewinn hat mir die Teilnahme
an den Ausgrabungen in dem Landheim unserer Schule gebracht? Aus dem Frühjahr
1938 liegen die letzten Themen noch vor, zwei davon hier zur Ansicht: Goethes
‚Hermann und Dorothea‘ als Antwort auf die französche Revolution und
Was sagen uns heute die Begriffe Persönlichkeit und Gemeinschaft?
Die Familie als der alleinige Ort, der Schutz vor den dunklen Mächten
der Revolution zu bieten vermochte, so war Goethe willkommen, deutlicher
noch in den Worten des Reichsjugendführers v. Schirach: „Du handelst
im Sinne des Mannes, dem du dienst, wenn du den Inhalt dessen, was der
Begriff Weimar und Goethe umschließt, in dir aufnimmst und in einem
neuen und tapferen Herzen einschließt.“ So bekommt Hermanns Schlusswort
in ‚Hermann und Dorothea‘ den rechten ‚arteigenen‘, d.h. falschen Ton:
„Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,
der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter.“
Das
Ende dieser Epoche, der Neuanfang in Freiheit, Trümmerlandschaften
und Flüchtlingsströme, Schwarzmarkt und Wirtschaftswunder, deutsche
Teilung, kalter Krieg, Adenauer und Ulbricht, charakteristische Wegmarken
der Erinnerung, die in eine andere, bessere Zukunft weisen wollten. Die
Aktenlage der Sophienschule ist 1952 wieder eindeutig und zuverlässig.
Abiturthemen ohne Zahl füllen nun die Ordner, denn es gibt inzwischen,
zunächst einmal bis zur Oberstufenreform, vier parallele Abiturklassen
jährlich, denen durchgehend mindestens je vier unterschiedliche Vorschläge
zugeordnet sind. Wenn bis hierhin die Auswahl der Themen in dieser Übersicht
durch den lückenhaften Bestand in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
notgedrungen vorgegeben und so gewichtet war, müssen nun gegen die
fast unübersehbare Vielfalt einige wenige Übersicht verschaffende
Akzente gesetzt werden.
Natürlich
muss der erste wieder belegbare Themenvorschlag nach Kriegsende, der des
Jahres 1952, Vorrang haben. Dieser wie die folgenden Aufgaben zeigen in
einem gewissen Umfang, dass auch die Lehrer selbst sie im wahrsten Sinne
des Wortes noch lange Zeit als ihnen aufgegebene Klärung des eigenen
Standpunktes begreifen, ob bewusst oder mehr oder weniger unbewusst, ob
im Sinne rechtfertigender Entlastung bzw. Entschuldung der eigenen Biographie
oder ihrer eher unempfindsam selbstgerechten Unantastbarkeit, all das ist
jeweils nur zu erahnen. Eine gewisse gestische Demut wie Unsicherheit kennzeichnet
so die Themenformulierungen. Diese Haltung resultiert möglicherweise
auch daraus, dass die Abiturientinnen z.B. des Jahrganges 1952, also geb.
ca. 1933/34, mit den Lehrern aus einem vergleichbaren historischen Erfahrungs-
und Lebenszusammen- hang kommen, aber alle gemeinsam sich doch in dem Charakter
und Ausmaß ihrer biographischen Verstrickung qualitativ unterscheiden.
Jede antwortende Auseinandersetzung einer Schülerin ist so zugleich
eine positionelle Herausforderung des Lehrers: Sehen Sie in dem Wort: „seinen
Zustand annehmen“ (Gertrud von le Fort) eher eine Lebenshilfe als eine
Gefahr? Dieser Eindruck wird auch durch das nächste Thema bestätigt:
Uns Menschen ist gegeben nach allen Seiten zu schauen. Welche Blickrichtungen
scheinen Ihnen für Ihr Leben ganz besonders wichtig? Weniger nach
kritischer Selbstbesinnung klingt diese Aufgabe: Ein Gebiet deutscher Kunst
bedeutet Ihnen so viel, daß Sie anderen einen Zugang dazu verschaffen
wollen ... Eher ein Gefühl von sozusagen instinktiver Abwehr in diesem
Zusammenhang löst aus heutiger Sicht die Frage die Abiturs von 1955
aus: Alles höhere Leben quillt aus dem Opfer. Welche Ihnen bekannten
Werke bestätigen diese Auffassung? Im Besinnungsaufsatz die konkret
erzieherische Verantwortung aufzuheben, die bürgerliche Welt noch
retten, den Bruch, wie ihn die nicht nur geographische Nachbarschaft von
Weimar und Buchen-wald auf Dauer widerspiegeln, noch kitten zu können,
vielleicht ist es das, woran die Lehrer abgehoben gymnasial geglaubt haben
(1956): Für einen Menschen bedeutet Freiheit zunächst: frei von
etwas; er muß fortschreiten zu der Frage: frei wozu? Kennzeichnen
Sie die Aufgabe, die Sie in dieser Hinsicht vor sich sehen. Wäre auch
eine andere Hinsicht, somit eine andere Ansicht möglich gewesen? Der
andauernde Konflikt von Vergangenheit und Gegenwart, alter und neuer Heimat,
Herkunft und Wohlstand, der Verlust nicht mehr unbestrittener gesellschaftlicher
Rollen und sich daran anknüpfender Privilegien, das wiederum im historischen
Kontext des sich anbahnenden und fortschreitenden Wirtschaftswunders in
all seinen widersprüchlichen Facetten wirkungsmächtigen neuen
Reichtums hält dennoch das gymnasiale Boot auf seiner Abschiedsreise
in Fahrt (1958): ‚Reich ist man nicht durch das, was man besitzt, sondern
mehr noch durch das, was man mit Würde zu entbehren weiß, und
könnte sein, daß die Menschheit reicher wird, indem sie ärmer
wird und gewinnt‘. Interpretieren Sie das Wort und stellen Sie den Wert
heraus, den es Ihrer Meinung nach noch heute für uns haben könnte.
Das verhieß im Sinne höherer Werte und Gerechtigkeit Trost für
das vertriebene Akademikerkind, bedeutete Mahnung an die wohlhabenden Mitschüler,
deren Eltern noch nicht einmal Abitur gemacht hatten. Besinnung als Ausdruck
der Hoffnung auf den segensreichen Wirkungszusammenhang einer erzieherisch
zu befördernden aufgeklärten Haltung, so aber doch nur aus dem
angejahrten wie korrumpierten bürgerlichen Vorbildkatalog der Lehrer
stammte, die, sicherlich auch ehrenwert, aber letztlich doch hilflos ausgeliefert,
daran nach außen unbeirrt festgehalten hatten. Die erhoffte (Neu-)
Besinnung im Raster des bildungskanonisch Bewährten versandet im Besinnungsaufsatz
(1960): Betrachten Sie den folgenden Satz von J. Paul und über-legen
Sie, ob Sie aus Ihrer Erfahrung heraus zustimmen können: ‚Nur wer
irgendein Ideal, das er ins Leben ziehen will, in seinem Innern hegt und
nährt, ist dadurch gegen die Gifte und Schmerzen der Zeit verwahrt.‘
Je
mehr die Zeit voranschreitet, desto umfangreicher werden die Aufgabenstellungen,
Texte und Bilder, je für sich oder auch miteinander verknüpft,
geben mehr Chancen konkreter Überprüfbarkeit. Vergleiche kommen
in Mode, um abwägende, begründende, verantwortete Nachdenklichkeit
herauszufordern, Rubens ‚gegen‘ Picasso, Rilke ‚gegen‘ Benn, Eichendorff
‚gegen‘ Eich. Begriffsbestimmungen gewinnen an Beliebtheit (1960), z.B.:
Versuchen Sie die folgenden Begriffe zu bestimmen und zu bewerten: Gelassenheit
– Gleichmut – Mäßigung – Selbstbeherrschung – Selbstzucht. Texte
als Grundlage für Aufgabenstellungen setzen sich ebenfalls mehr und
mehr durch, auch Sachtexte aus Zeitungen, in kompromissloser Kürze
das provozierende Thema: ‚Gnade des Nullpunkts‘. Erläutern Sie die
Ihnen vorliegende Aussage über Kleists Novelle ‚Das Erdbeben in Chili‘
(Die Welt, 8.10.1960). Mit einem Thema zum ‚Guten Menschen von Sezuan‘
taucht 1962 erstmalig Brecht als moderner zeitgenössischer wie umstrittener
Dichter auf. Bis dahin bestimmen eher unverfängliche Namen wie Goes,
Britting, Langgässer, Carossa, Bergengruen, Rilke, Hesse, Weinheber,
Kaschnitz, Seidel, Le Fort, Benn die Auswahl der Abituraufgaben. Goethe
und Schiller finden vorläufig keine Aufnahme mehr in den Kreis der
Themenspender, nur Herder darf das klassische Erbe retten. Th. Manns ‚Tonio
Kröger‘ findet einmal Gnade, auch Büchners ‚Danton‘ als Ausgangspunkt
über das Selbstverständnis des Dichters. Gedichte werden nun
zum Abiturrenner, die Aufgabenstellung wirkt dabei beängs-tigend einfach:
Vergleichen Sie nach Form und Gehalt! Kurzgeschichten werden von nun an
mit dem lapidaren Zusatz versehen: Interpretieren Sie!, oder nur das nackte
Stichwort Interpretation begleitet die ausgewählten Texte. Die selbst
sind weit weg vom Alltag der Schülerinnen, den sie in der Immanenz
der Texte, besser, in der Begegnung pflichtgemäß auflösen
– garniert mit allerlei Formalem (sic): Form und Gehalt, wobei dieses ‚und‘
wie eine unüberwindbare Trennungslinie wirkt.
Geradezu
ein Hauch des Mythischen umgibt das, was sich im Jahre 1968 selbst und
in seinem Umfeld ereignet. In der Sophienschule sind die Erschütterungen
des gesell-schaftspolitischen Wandels an der Oberfläche der Abiturthemen
nicht spektakulär wirksam, aber doch erkennbar. Es sollen zwar wie
immer Kurzgeschichten interpretiert werden, es geht u.a. um den besonderen
Wert einer Studienfahrt nach Florenz, was Dichter über Dichtung denken,
aber Texte aus Th. Manns Novelle ‚Mario und der Zauberer‘ oder Musils ‚Die
Affeninsel‘ setzen in der Auswahl deutlich kritische Akzente. Autorität
als fragwürdiges Stichwort taucht auch in anderer Weise, wenn auch
sorgsam eingebunden auf (1968): Autorität über sich erkennen
ist ein Zeichen höherer Menschlichkeit. Stimmen Sie diesem Wort Hugo
von Hofmannsthals zu? oder Eigenständigkeit – Anpassung – Außenseitertum.
Definieren Sie die Begriffe und grenzen Sie sie gegeneinander ab; aus demselben
Jahr 1969: Soll und darf Sitte geändert werden (Fr. von Weizsäcker)?
Was sagt der vorgelegte Text zu diesem Problem? Wie stehen Sie selber zu
dieser Frage?
Erstmals
könnten nun nach Aktenlage die Antworten der Schülerinnen auch
nachgelesen werden, aber sie hier noch einzuführen, würde den
Rahmen des Berichtes sprengen, wäre ein eigenes Thema. Die 70er Jahre
münden in ein neues Oberstufen-modell. Schule und Schüler, mittlerweise
ist die Sophienschule eine koedukative Schule geworden, verändern
sich auf dramatische Weise entsprechend den komplexen Bedingungen des brisanten
gesellschaftlichen Wandels. Die Aufgabenstellungen der Aufsätze entfalten
sich in einer Vielzahl von Arbeitsaufträgen oder Fragen, woran sich
formal wie inhaltlich methodisch-didaktische Debatten entzünden, sozusagen
unter dem Feuer noch ausgreifenderer bildungspolitischer Reformansätze
(Bildungs-notstand, Hessische Rahmenrichtlinien, Gesamtschule seien als
wenige einschlägige Reizworte genannt), die auch substantiell, u.a.
auf das Fach Deutsch in der gymnasialen Oberstufe, Auswirkungen haben.
Ein
Beispiel für die ‚Fragestellerpraxis‘, die, wie ihre Kritiker unterstellen,
all das schon vorwegnimmt, was Ergebnis eigenverantwortlicher interpretatorischer
Entscheidungs-kraft sein sollte, sei hier vorgeführt an einem Abiturvorschlag
aus dem Jahr 1976:
Text:
J. Brobowski, Das Stück
Folgende
Fragen sollen Ihnen eine Hilfestellung geben:
1.
Worin liegt der Grund für Knolles Behauptung, ein einsamer Mensch
zu sein?
2.
Welche Entwicklung durchläuft er?
3.
Welche Bedeutung hat der letzte Satz für die Aussage des Textes, für
eventuell deutlich werdende Tendenzen?
4.
Welche typischen Merkmale der Kurzprosa sind nach ihrer inhaltlichen und
stilistischen Eigenart gegeben?
Die
Alternative der Auftragsverfechter würde dagegen etwa so lauten müssen:
Be-gründen Sie Knolles Behauptung ..., erläutern Sie dessen Entwicklung,
untersuchen Sie die Bedeutung des letzten Satzes ..., überprüfen
Sie die typischen Merkmale der Kurzprosa ... Entscheiden Sie selbst, ob
der Vorwurf eingrenzender Bearbeitungs-freiheit in dieser Variante aufgehoben
werden kann. Zumindest setzen die Aufträge ein gewisses Einverständnis
über Fertigkeiten und methodisches Vorgehen voraus. In dieser Form
jedenfalls, die übertriebenen Spitzen sind längst abgeflacht,
geht es in die beiden letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts. Am Ende der
80er Jahre ist die Oberstufenreform, zwar vielfach geändert im Laufe
der Jahre, längst zum Schulalltag der Schüler geworden, die Gleichwertigkeit
aller Fächer ist festgeschrieben. Die Schüler wählen sich
in Kurse, und sie bestimmen in der Auswahl ihrer Prüfungsfächer,
welches Gewicht sie z.B. dem Fach Deutsch geben wollen, ob sie sich überhaupt
prüfen lassen wollen. Die Teilnahme an Leistungskursen stellt im Abitur
höhere Anforderungen als das ‚normale‘ Prüfungsfach Deutsch unter
Grundkursbedingungen usw. Die Themen gehen nun aus Kursfolgen hervor. Einheitliche
Prüfungsanforderungen setzen den Rahmen der erwarteten Leistungen,
in die die jeweiligen Abiturthemen der unterschiedlichen Kurse sich einfügen
müssen. Kompliziert, selbst in dieser Kurzfassung! Hat sich nun Wesentliches
inhaltlich oder formal geändert?
Lassen
Sie uns bei der Suche nach einer Antwort einen letzten Blick auf die Abitur-themen
der Sophienschule werfen am Beispiel der Wendezeit, des Falls der Mauer
und der heraufziehenden Wiedervereinigung. Können Wörter lügen?
lautet die sprach-kritische Frage des vorgegebenen Textes. Die Aufgabe
ist für einen Prüfungskurs ausgelegt, die differenzierte Aufgabenstellung,
die hier nicht mehr wiedergegeben werden kann, schlägt 1990 den Bogen
von der NS-Zeit über die Sprache der Ideologen bis in die Gegenwart
und trifft so auch die Wahrheitsfrage, die in der Wendezeit aktuell aufbricht.
1992 knüpft die Vergleichende Analyse zweier Reden von E. Honecker
(7.10.1989) und Fr. von Weizsäcker (3.10.1990) an diesen Wirkungszusammen-hang
von sprachlicher Kompetenz und politischer Verantwortung an. Die Aufgaben
sind nicht aufwendig, doch funktional und produktiv:
1.
Analysieren Sie die Reden nach ihren inhaltlichen Aussagen und ihrer
sprachlichen Form. Vergleichen Sie sie und stellen Sie Gemeinsamkeiten
und
Unterschiede fest.
2.
Setzen Sie sich kritisch mit beiden Reden auseinander. Verdeutlichen Sie
dabei Ihre Maßstäbe für politische Sprache im demokratischen
Staat.
In
den verschiedenen Abiturvorschlägen des zurückliegenden Abiturjahrganges
findet sich ein Gedicht von Ingeborg Bachmann, überschrieben ‚Ihr
Worte‘. Sein Anfang soll zugleich das Ende dieses vielleicht etwas anmaßend
wirkenden Versuches sein, Abiturthemen eines Jahrhunderts zum Sprechen
zu bringen und bewerten zu können. Natürlich kann diese zugegeben
in gewisser Weise willkürliche Auswahl und Auswertung nicht das letzte
Wort sein. ‚Wer schreibt, der bleibt‘, ist die Erinnerung an hämisch
unrätlich hingeworfene Machtworte aus eigener Schulzeit. Die Schülerinnen
und Schüler von heute müssen auch morgen (weiter-) schreiben.
Träfen sie auf Themen, die sie etwas angehen, hätten sie nicht
nur den Schreibenden der Jahrhundertwende viel voraus. ‚Freilich nun wohl‘,
wenn es so einfach wäre! So gilt für alle Schreiber:
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Ihr
Worte, auf, mir nach!
und
sind wir auch schon weiter,
zu
weit gegangen, geht’s noch einmal
weiter,
zu keinem Ende geht’s.
Es
hellt nicht auf. |
Rainer
Denecke
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