Kürzlich
fiel mir erneut eine Anzeige im Stellenmarkt der lokalen Zeitung auf:
„Wir
suchen nur die Besten: Fachberater/innen für die Warenbereiche TV/Video/
Computer ... – Sie passen zu uns, wenn Sie neben den erforderlichen fachbezogenen
Kenntnissen Teamgeist und Begeisterung mitbringen für unsere zentrale
Aufgabe, die Zufriedenheit unserer Kunden herzustellen.“
Einmal
mehr befiel mich tiefe Ratlosigkeit, gepaart mit einer seltsamen Mischung
von Eitelkeit: „... nur die Besten ..., Begeisterung ..., Zufriedenheit
...“ !!???
Ja,
auch ich gehöre zu dieser besonderen Spezies Fachberater. Es sind
weniger Com-puter, Fernseher oder Staubsauger, für die ich ausgewiesener
Fachmann und Berater bin, nein, mein Kundenstamm sind Lehrer, mein Produkt
ist die Pädagogik, in Sonder-heit der sachgerechte Umgang mit dem
Schulfach Geographie, und meine Auftraggeber sind so genannte Dezernenten
in der Bezirksregierung Hannover. Diese stehen ihrerseits gerade für
die Direktiven des Kultusministers und somit letztlich für die Kultur
des Abendlandes. So in etwa fügt sich der schulische Fachberater in
das höhere Ganze ein. Im Klartext schulbezogener Erlasse liest sich
das so:
„Zur
Unterstützung der Schulaufsicht über die Gymnasien ... werden
bei der oberen Schulbehörde Studiendirektoren als Fachberater für
einzelne Fächer ... eingesetzt. Sie werden auf Vorschlag der oberen
Schulbehörde durch die oberste Schulbehörde bestellt.“
Gewiss,
der amtliche Stil des Textes lässt Gewichtiges ahnen: „obere Behörde“,
„oberste Behörde“, „Schulaufsicht“, „bestellt werden“ ..., das sind
Vokabeln, die Respekt abnötigen. Richtig so. Schließlich geht
es hier und im Folgenden um eine tragende Säule des Schulwesens und
den letzten Garanten von Intellektualität, Aufrichtigkeit, Sachbezogenheit,
Ausgewogenheit, Geradlinigkeit, Unbestechlichkeit, Nüchternheit, Aufgeschlossenheit,
Heiterkeit, ... nein, das eigentlich nicht, aber doch alles in allem um
eine wichtige Instanz im schulischen Leben: den Fachberater.
Sein
Aufgabenfeld ist räumlich wie inhaltlich recht umfassend:
– Der
Fachberater ist in der Regel zuständig für sein Fach an allen
Gymnasien,
KGS, IGS in einem Regierungsbezirk.
– Er berät Schulen,
Ausbildungsseminare, Fachkonferenzen, einzelne Lehrkräfte.
– Er wirkt mit bei der Erstellung
von Lehrplänen, Richtlinien und
Prüfungsverord-nungen.
– Er besichtigt den Unterricht
anderer Fachlehrer und gibt darüber sein Urteil ab.
– Er wirkt mit bei der Feststellung
der Bewährung im alltäglichen Dienst und bei
der Prüfung
von Eignung zu höheren Aufgaben.
– Er prüft im dezentralen
Abitur des Landes Niedersachsen die fachbezogenen
Abiturvorschläge
der einzelnen Schulen nach Sachlichkeit und
Chancengleichheit
und versucht, den Leistungsanspruch im Vergleich zu
anderen Bundesländern
sicherzustellen.
– Er nimmt Einblick in Prüfungsleistungen
und greift ggf. korrigierend ein.
– Er muss sich auseinander
setzen mit sachbezogenen Streitfällen in der
Bewertung und
Beurteilung von Schüler- und Lehrerleistungen.
– In alledem berät er
die Schulbehörde aus fachbezogener Sicht, indem er
unentwegt Gutachten,
Stellungnahmen und Berichte produziert, bisweilen
Vorträge
hält und Artikel schreibt.
– Weiterhin ist er verantwortlich
für die regelmäßige Durchführung von
Lehrerfortbildungen,
und
– selbst ist er verpflichtet,
sich durch die Teilnahme an Kongressen und Tagungen
ständig
auf dem aktuellen Stand des Faches zu halten.
– Schließlich unterrichtet
er auch selbst, und dies vorzugsweise an seiner
Stammschule
mit etwa 17 Unterrichtsstunden in der Woche, und er ist gehalten,
wie jeder andere
Lehrer auch, nach Lage der Dinge das schulische Leben
mitzugestalten.
Das ist der Fachberater1.
Im Kollegium der Sophienschule
arbeiten drei Fachberater (FB): Herr Wirth als FB für katholische
Religion (er ist auch zuständig für die Regierungsbezirke Braunschweig
und Lüneburg), Herr Quaas als einer von vier FB in der Bezirksregierung
Hannover für das Fach Deutsch und ich als einer von zwei FB für
das Fach Geographie. Im Ganzen machen wir eine stattliche Zahl aus, denn
die meisten Schulen haben gar keine oder weniger FB in ihren Reihen.
In eitler Selbstbespiegelung
könnte man sagen, es sei eine Auszeichnung für unsere Sophienschule,
drei FB aufzuweisen und somit auch nach außen zu verdeutlichen, dass
hier im Ganzen ein besonders profiliertes Kollegium tätig ist. Drei
FB, das bedeutet immerhin eine Lehrergruppe verfügbar zu haben, die
ständig Einblick nimmt in das schulische Leben anderenorts. Hieraus
ergeben sich Vergleichsmöglichkeiten, die zum Wohle der Stammschule
genutzt werden können. Wer viel herumkommt, hat immer etwas auf Lager,
das er in der eigenen Schule nützlich einbringen kann. In dieser Sicht
können Fachberater an ihrer Schule im Besonderen Träger von Ideen
und Innovationen sein und anderweitig gewonnene Einsichten der eigenen
Schule andienen.
Aber wie jeder aus dem Götz
v. Berlichingen weiß, zählt der Prophet in der Regel nichts
im eigenen Lande ...!
Schlimmer noch als dies:
Der Fachberater fällt im Allgemeinen eher unangenehm auf, und dies
leider auch an der eigenen Schule!
Hier glänzt er nur zu
oft durch dienstlich bedingte Abwesenheit und ist in dieser Weise
– ein Ärgernis für
den geplagten Stundenplaner, der häufig Vertretungen
organisieren
muss,
– ein Ärgernis für
die Kolleginnen und Kollegen, die die Vertretung zusätzlich
wahrnehmen
müssen,
– ein Ärgernis für
den Schulleiter, der einer aufgebrachten Elternschaft erklären
muss, wo die
FB stecken und weshalb sie nicht in der eigenen Schule sind.
Der unvermeidliche Unterrichtsausfall
macht den Fachberater allenfalls bei einigen seiner Schüler leidlich
beliebt, doch ist ihm das natürlich gar kein Trost. Wollte er die
ausgefallenen Stunden nachholen, bliebe allenfalls das Wochenende! Doch
mit diesem Ansinnen schafft sich der Fachberater auch keine Freunde.
Wie steht es nun aber mit
all seinen gewichtigen Verpflichtungen dort, wo er im unbehaglichen Verdrängen
seiner schulischen Verpflichtungen ständig hineilt?
Nun, an den Schulen, die
er im Regierungsbezirk aufsucht, kommt im Allgemeinen auch keine rechte
Freude auf. Es geht ihm – wie schon mit Bezug auf Onkel und Tante in der
Operette „Der Vetter aus Dingsda“ besungen – so, dass man ihn am liebsten
nur von hinten sieht! Dabei kommt er doch nur in bester Absicht:
– mit vielen guten Ratschlägen,
– mit tiefsinnigen Betrachtungen
zu Unterrichtsstunden,
– mit einzigartigen Ideen
zu schulischen Projekten,
– mit hilfreichen Darbietungen
zur Verbesserung von Unterricht,
– mit wohlmeinenden Korrekturen
zu Fehlern,
– mit behutsam vorgetragener
Kritik an diesem und jener,
– mit mühevoll erarbeiteten
Ergüssen zur Pädagogik im Allgemeinen und
Besonderen.
Ja, ja, so ist der Fachberater:
von allen verkannt, ungeliebt,
einsam, allein. Von wegen „Zufriedenheit“, „Begeisterung“ usw. (s.o.).
Vielleicht erreicht man diese Ziele auch eher, wenn man Fachberater für
Video und TV ist.
Wenn aber das Leiden am und
im schulischen Fachberater so groß ist, warum gibt es ihn dann, warum
wird man es denn??
Natürlich! Natürlich!
Der geneigte Leser weiß es schon längst: Der Fachberater ist
ein geborener Menschenfeind. Aus purer Lust am Despotischen, am Zersetzenden,
an der Nörgelei, am Besserwissen schleicht er sich ins Gewand des
Oberpädagogen – und leidet. Professor Unrat selig muss leben, muss,
muss, muss – und Freund Hein immer dabei. Alter Griesgram Fachberater!?
Nein, nein, liebe Leserinnen
und Kolleginnen2!
Der Fachberater muss wahrhaftig
leben, muss sein!
Mehr denn je braucht das
Unternehmen Schule seine kundenfreundlichen und umtriebigen Vertreter!
Gerade jetzt, zu Beginn eines neuen Jahrhunderts, Jahrtausends, Millenniums
braucht der Konsument Schüler Berater, die ihm den Weg weisen. Nur
der Fachberater als Innovationstorpedo weiß mit easy understanding,
wohin the way goes. Er hat die local, regional, global directives und kann
auch dem burned-out-Kollegen den Rest geben.
Der Fachberater hat alles
in der Hand. Er ist der Garant für soziale und personale und instrumentale
Kompetenz. Zukunft – nur mit ihm.
Die Fachberater sind nicht
yello und nicht nur cool, sie sind entsuppiegeil! Sophie, sei glücklich,
dass du deren dreie hast!
Wenn ich es recht bedenke,
ist meine Funktion an- und aufregend, fürsorglich und sorgenvoll,
ver- und anerkannt. Und nicht zuletzt steht hinter mir der Staat. Er sorgt
sich um mich, er erstattet mir meine Auslagen. Die Bahnfahrt 2. Klasse
nach Syke oder Holzminden bekomme ich auf Antrag stets bezahlt, denn neben
den vielen Vorgaben, nach denen ich arbeiten darf, steht in meinem Fachberater-Erlass
ganz obenan:
„Die sachlichen Verwaltungsausgaben
einschließlich der Reisekostenvergütungen sind aus den bei Kap.
0305 zugewiesenen Haushaltsmitteln zu verausgaben.“
Denkt doch von mir, was
ihr wollt! Hier bin ich geborgen.
Frank-Michael
Czapek
1
Hier und in allen anderen Bezügen wird die männliche Form nur
als Nomen
agendi verstanden.
Natürlich gibt es auch Fachberaterinnen (bisher leider nicht
an der Sophienschule)!
2
Natürlich ist hier auch die männliche Anrede denkbar. |