100 JAHRE RICHTUNG TECHNO 
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100 Jahre Richtung Techno und Mülltrennung
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In die dunkelroten Backsteine des Gymnasiums in Hannover ist das steinerne Abbild der Kurfürstin Sophie hineingearbeitet, die erhaben die Seelhorststraße begutachtet – und das schon seit nunmehr einem Jahrhundert.

Die Fassade hat sich kaum verändert, aber hinter dem Rücken der adeligen Dame hat sich so einiges getan:

Das Bild der sprachlichen Bildung wurde durch das Auswendiglernen und Aufsagen von Gedichten geprägt, während sich der musische Bereich eher auf Heimatlieder konzentrierte. Selbstverständlich wurde auch darauf geachtet, dass sich die Mädchen ebenso gut in preußischer Geschichte wie in den verschiedenen Handarbeiten auskannten.

Im Fach Leibesertüchtigung tauschte man die langen Röcke gegen sportlich knappe Gewänder ein, die schon mal die unsittlichen Blicke der Jünglinge des benachbarten Kaiser-Wilhelms-Gymnasiums auf sich zogen. Wahrscheinlich wurde der Ort dieser Jungenschule später mit Bedacht am anderen Ende der Seelhorststraße gewählt ...

Lebendigen Naturkundeunterricht bot das Landheim Hambühren. Leider wurden die durch Wald und Wiesen wandernden Mädchen oftmals von radfahrenden Schülern abgelenkt. Dieser „Fahrradmißbrauch“ sollte laut Direktor Wülker unverzüglich eingestellt werden.

Heutzutage nutzen Mädchen und Jungen (!) gleichermaßen das ehemalige Kräuter-beet als Fußballplatz und befriedigen ihre Konsumbedürfnisse mit Celler Badeland und Diskothekbesuchen. Ab Klasse 8 könnte nach Meinung der Schüler der Flug nach Rom auf dem Programm stehen, anstatt nun schon zum zweiten (!) Mal in die öde Lüneburger Heide fahren zu müssen.

Wo früher der Schüler aufsprang, um sofort die gestellte Frage zu beantworten, hängt der heutige in der letzten Reihe, kippelnd, kaugummikauend, von der Kapuze seines Pullovers verdeckt und mit Hilfe von Ohrstöpseln in der eigenen (Klang-) Welt versunken, die unmissverständliche Warnung ausdrückend: „Komm mir bloß nich’ zu nahe!“

Einst bestimmten korrekt in dunkle Anzüge gekleidete Oberlehrer das Bild der Lehranstalt, die hin und wieder auch den Rohrstock zu Hilfe nehmen mussten, um die unfolgsamen Mädchen zu bändigen. Heutzutage ist die körperliche Züchtigung ja gänzlich abgeschafft, und auch der dominante Führungsstil ist überwiegend in ein laissez faire umgewandelt worden. Aber auch im Stil des Lehrkörpers lässt sich je nach Fachrichtung häufig eine Veränderung erkennen:

– naturwissenschaftlich: Gesundheitslatschen; Schlabberlook; Vorliebe für 
   graphik-fähige Taschenrechner
– sprachlich: Outfit der Sprache angepasst; fanatisch gegenüber vielem, was mit 
   der Sprache und dem Land zu tun hat
– sportlich: Jogginganzug und Turnschuhe; Trillerpfeife; trotz vorhandenem Fahrrad
   meistens mit dem Auto unterwegs
– künstlerisch-musisch: lebt in einer eigenen Welt; kann in alles etwas 
   hineininterpretieren
– geisteswissenschaftlich: hat zwar eine vorgefertigte Meinung, lässt jedoch 
   kritische Diskussion mit den Schülern zu

... und dieser kritische Austausch wird oft sogar in den Pausen weitergeführt, während man nebenbei die Sonnenstrahlen sowie diverse Schokoriegel genießt – die Entsorgung der Verpackung erfolgt selbstverständlich nach dem „Gelben-Sack-Recyclingsystem“.

Die unteren Jahrgänge fallen eher durch ihre Dreistigkeit (unwirsches Betragen) auf und ihre Versuche, überschüssige Energie loszuwerden. Ob vielleicht doch eine Note für Betragen wieder eingeführt werden sollte? Auf jeden Fall nehmen besonders die Schüler der Unterstufe das Arbeitsgemeinschafts (AG)-Angebot der Schule wahr und engagieren sich in einer der Sport-, Theater-, musischen oder Computer-Gruppen. Denn was noch vor 80 Jahren als nahezu undenkbar galt, ist heute für Lehrkräfte wie Lernende ein Hobby und Muss zugleich: der Umgang mit den zahlreichen Programmen, Servern, Scannern, dem Internet, und nicht zu vergessen mit der Vielfalt der Computerspiele.

Aus welchem Grund man seine Zeit vielleicht nicht in einem der Klassenräume verbringt, sei dahingestellt, auf jeden Fall ist der heutige Schüler immer bestens versorgt dank der Bemühungen des Hausmeisterehepaares – das allerdings ist keine Erfindung der Neuzeit! Soviel hat sich ja vielleicht doch nicht verändert, denn die Sophie blickt auch heute noch erhaben über die Seelhorststraße ...

Auf die nächsten 100 Jahre!

Heike Hoyer, Astrid Schöne, Abiturjahrgang 1998

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