NEUN JAHRE SOPHIENSCHULE VON 1940 BIS 1949 
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Erinnerungen an neun Jahre Sohienschule
von 1940 bis 1949
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Die Aula

An die Aula der Sophienschule kann ich mich noch sehr gut erinnern. Zu Weihnachten 1940 – damals sehr klein von Gestalt – hatte ich die Weihnachtsgeschichte (Markus-Evangelium 2. Kapitel) von der mir riesig erscheinenden Bühne vorzutragen. Ferner erinnere ich mich, daß an jedem Montagmorgen eine kurze Feierstunde in der Aula stattfand, bei der Herr Oberstudiendirektor Bartels einige besinnliche Worte sprach und geistliche oder auch fröhliche Lieder gesungen wurden, begleitet sehr häufig durch den Musiklehrer am Flügel. Eine den Wochenanfang einleitende Feierstunde habe ich erst wieder in einem von Quäkern unterstützten Internat in York/England erlebt, wo unsere Tochter Beatrix sich für 6 Wochen zur Teilnahme am dortigen Schulunterricht aufhielt. Die Feierstunden in der Aula waren für mich sehr eindrucks-voll. Sie mahnten uns Schülerinnen, die uns betreffenden Pflichten einzuhalten.
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Lehrer An unseren Deutschlehrer, Herrn Dr. Denker, erinnere ich mich noch in ganz besonderer Weise. Er verpflichtete uns, den Spruch zu erlernen:
„Es gibt ein Wort, das Berge versetzt und das heißt: ,Ich will!’“
Das hat sicherlich geprägt. Es gab auch anderes, wie das Gedicht:

Mit dem alten Förster heut’ 
bin ich durch den Wald gegangen, 
während hell im Festgeläut
aus dem Dorf die Glocken klangen.

                                                                                     Emanuel Geibel

Ferner sind mir in Erinnerung Frau Pelens, Frau Woltereck, Frau Wolf (sie gab Englischunterricht) und eine kleine, sehr aktive Sportlehrerin, die wir – so glaube ich – „Kulle“ nannten.

Als – ich weiß nicht, zu welchem genauen Zeitpunkt – der „Hitlergruß“ als Verpflichtung in allen Schulen eingeführt wurde, begann plötzlich das Verhalten zwischen Schülern und Lehrern unpersönlicher zu werden. Der Gruß galt nicht mehr dem Gegenüber, sondern wurde so dahingesprochen.

Unterricht im Krieg und in der Nachkriegszeit Dann kamen die Bombennächte. Ein Teil der Schülerinnen wurde nach Treseburg evakuiert. Andere Eltern entschlossen sich, ihre Kinder privat unterzubringen. Dazu gehörten auch meine Schwester und ich. Wir erlebten das Kriegsende auf einem Bauernhof in Altenhagen I bei Springe.

Soweit ich mich erinnere, begann der Schulunterricht erst wieder im Jahre 1946. In diesem Winter 1946/47 wurde teilweise in Privatwohnungen Unterricht erteilt – selbstverständlich ohne Bücher. Später erhielten wir Schichtunterricht. Die 
eine Schule wurde morgens unterrichtet, die andere nachmittags, wöchentlich im Wechsel.

Selbst Physik, Chemie und in großen Zügen auch Mathematik wurden fast bis zum Abitur nur in mündlichem Unterricht vermittelt. Wir waren gehalten, alles Wissens-werte mitzuschreiben, was später auch für das Studium hilfreich war.
Da ein Teil unserer Ideale und die uns vormals auferlegte selbstverständliche „Pflicht-erfüllung“ nach dem Kriegsende etwas gelitten hatten, nahmen wir – jedenfalls in der von mir besuchten Klasse – die Schulpflicht zunächst nicht sehr genau.

Wir konnten zudem immer behaupten, wir hätten die Schule nicht pünktlich erreichen können, weil die Straßenbahnen überfüllt gewesen wären.

Als dann Frau Dr. Bernecker die Direktorenstelle in der Sophienschule übernahm, wurde die Pflichtauffassung plötzlich wieder ernst genommen, und es gelang, unserer Klasse tatsächlich mathematische Kenntnisse zu vermitteln.

Vieles, was uns in der Schulzeit wegen der Gegebenheiten nicht überbracht werden konnte, war später nachzuholen, insbesondere auch Motivationen des Lernens.

Am 19. Mai 1949 – so jedenfalls ist es in meiner Erinnerung – erhielten wir in unserer Klasse mit 14 Schülerinnen das Abiturientenzeugnis. Wir waren überglücklich, in einen neuen Lebensabschnitt entlassen zu sein.

Meine Grüße gelten meinen früheren Mitschülerinnen und meine Wünsche den heutigen Abiturienten, die unter viel schwierigeren Bedingungen einen Weg in das Berufsleben suchen müssen.

Edith Tetzlaff-Gröpke

.© 2002 Sophienschule Hannover