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Als
„Goldne“ wird die Sophienschülerin bezeichnet, die vor 50 Jahren ihr
Abitur gemacht hat (Anm.: Sophienschüler gibt es noch nicht als „Goldne“,
da sie erst 1978 zum ersten Mal an der Sophie Abitur gemacht haben).
Unsere
Schule wird 100 Jahre alt. Nach 10 Jahren Schuldasein hat sie als erste
Mädchenschule in Hannover Abiturientinnen gehabt, die vorerst ihr
Examen extern ablegen mussten. Meines Wissens ist dann 1913 das erste Abitur
in der Schule abgenommen worden.
Im
Jahre 1963 hat sich der Vorstand des Ehemaligenbundes unter Dr. Friedel
Beer-henke erinnert, dass 50 Jahre vergangen waren und die ersten Abiturientinnen
ihr „Goldnes Abitur“ feiern könnten. Gedacht, getan; alte Listen wurden
hervorgekramt, es wurden Namen gefunden, Adressen ausfindig gemacht, und
mit Hilfe des Schnee-ballsystems konnten Klassenlisten erstellt und Einladungen
verschickt werden. So konnte 1964 das erste „Goldne Abitur“ der Jahrgänge
1913/14 gefeiert werden.
Es
war ein überwältigendes Ereignis! 18 Damen, die Hälfte der
Abijahrgänge 1913/14, konnten in der Aula begrüßt werden.
Frau Edith Goerke geb. van Ribbeck schreibt darüber u.a., ich zitiere:
„Nach einem brausenden Schlusschor mit Orchester, lateinischem Text (‚integer
vitae‘) wurden wir aus der schönen Feier entlassen ... Nach dem Mittagessen
saßen wir nachmittags im großen Zeichensaal auf Einladung des
Ehemaligenbundes an schön geschmückter Tafel, Kollegium und Abiturientinnen
waren gekommen. Es ging an allen Tischen sehr lebhaft und fröhlich
zu, und wir „Goldnen“ wurden fürsorglich betreut von der Jugend, die
uns zum Schluss noch hübsche Blumen überreichten. Anschließend
wurde uns erlaubt, die Schule zu durchwandern: im Physiksaal zwei Filme
über Schulleben und Landheim, eine Vorführung finnischer Tänze
in der neuen modernen Turnhalle, alles Dinge, die es früher noch nicht
gab,
trotzdem haben wir in Erinnerung vergangener Zeiten auch damals (Anfang
des Jahrhunderts) unsere Schule als ganz modern und schön empfunden.“
Im
nächsten Jahr 1965 überraschten uns die anwesenden sieben „Goldnen“
mit interessanten Lebensläufen. Leider sind die Reden in der Aula
damals noch nicht aufgezeichnet worden. Ich erinnere mich an Frau Pfarrerin
a.D. Margarete Gillet, die als Klassenerste zur versammelten Schulgemeinde
von dem großen Schicksal dieser Generation, die zwei Weltkriege und
die Hungerjahre überstanden hatte, sprach. Sie hatte, was damals für
undenkbar gehalten wurde, Theologie studiert und war, wenn ich mich recht
erinnere, die erste Pfarrerin in Deutschland geworden.
Eine
andere, Frau Dr. Magdalene van Rinsum geb. Fischer, überraschte uns
mit ihrem Bericht, dass sie erst mit 67 Jahren sich ihren Wunschtraum erfüllen
konnte und ihren Doktor machen konnte. Vorher bei sieben Kindern, Kriegseinsätzen,
Bomben und Hungerjahren nach dem Krieg war dafür keine Zeit gewesen.
In der Rückschau war es während des ersten Weltkrieges und den
Anfangszwanzigern ungewöhnlich und schwierig, dass Frauen eine Universität
absolvierten. Ganz zu schweigen davon, dass dazu eine den Männern
überlegene Intelligenz gehörte. Seit 1908 wurde erstmals in Preußen
ein Frauenstudium zugelassen. Erst 1919 erhielten die Frauen das Wahlrecht.
Das
Studium wurde von den Abiturientinnen in verstärktem Maße aufgenommen;
dabei muss man aber berücksichtigen, dass das Abitur als Abschluss
der Mädchenbildung nach dem ersten Weltkrieg immer noch die Ausnahme
war. Das bezeugt an der Sophienschule auch das Nebeneinander von Lyzeum
und realgymnasialer und gym-nasialer Studienanstalt. Die Abgängerklassen
des Lyzeums waren weitaus stärker als die Abiturklassen.
Das
„Goldne Abitur“ nahm seinen Lauf und wurde fortan jährlich gefeiert.
Die Begeis-terung der „Goldnen“, die sich z.T. viele Jahre nicht gesehen
hatten oder gänzlich aus den Augen verloren hatten, war jedes Jahr
groß, und bei der Abiturfeier in der Aula wurden die „Goldnen“ gern
gesehene Gäste, trug ihre Anwesenheit doch dazu bei, das Ansehen der
Sophienschule in traditioneller Weise zu heben.
Die
Rede einer „Goldnen“ spiegelte immer ein Stück lebendige Geschichte
wieder, und die Gespräche zwischen Grünen und Goldnen haben einen
lebhaften Erfahrens-austausch gebracht. In diesem Jahr 2000 werden wir
den Abiturjahrgang 1950 bei uns haben, d.h. 37 Jahre schon kommen jährlich
die „Goldnen“ in ihre „alte“ Schule und lassen Erinnerungen aufleben. Ein
Tenor ist von allen zu hören: Die Sophien-schule hat mit ihrer engagierten
Lehrerschaft ein umfassendes Wissen im christlich-humanistischen Geist
vermittelt, das die „Sophien“ für ihr ganzes weiteres Leben geprägt
hat.
Wir,
vom Vorstand der Ehemaligen, wünschen, dass diese Tradition, die ein
so leben-diges Bild von unserer 100 Jahre alten Schule gibt, sich weiter
vererbt und auch für die zukünftigen Generationen Bestand haben
wird.
Charlotte
Hüser geb. Schulz, „Goldne“ 1987
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