DIE "GOLDENEN" DER SOPHIE 
127
_______________________________________________________________________________________________________________________
 
Die "Goldenen" der Sophienschule
.
Als „Goldne“ wird die Sophienschülerin bezeichnet, die vor 50 Jahren ihr Abitur gemacht hat (Anm.: Sophienschüler gibt es noch nicht als „Goldne“, da sie erst 1978 zum ersten Mal an der Sophie Abitur gemacht haben).

Unsere Schule wird 100 Jahre alt. Nach 10 Jahren Schuldasein hat sie als erste Mädchenschule in Hannover Abiturientinnen gehabt, die vorerst ihr Examen extern ablegen mussten. Meines Wissens ist dann 1913 das erste Abitur in der Schule abgenommen worden.

Im Jahre 1963 hat sich der Vorstand des Ehemaligenbundes unter Dr. Friedel Beer-henke erinnert, dass 50 Jahre vergangen waren und die ersten Abiturientinnen ihr „Goldnes Abitur“ feiern könnten. Gedacht, getan; alte Listen wurden hervorgekramt, es wurden Namen gefunden, Adressen ausfindig gemacht, und mit Hilfe des Schnee-ballsystems konnten Klassenlisten erstellt und Einladungen verschickt werden. So konnte 1964 das erste „Goldne Abitur“ der Jahrgänge 1913/14 gefeiert werden.

Es war ein überwältigendes Ereignis! 18 Damen, die Hälfte der Abijahrgänge 1913/14, konnten in der Aula begrüßt werden. Frau Edith Goerke geb. van Ribbeck schreibt darüber u.a., ich zitiere: „Nach einem brausenden Schlusschor mit Orchester, lateinischem Text (‚integer vitae‘) wurden wir aus der schönen Feier entlassen ... Nach dem Mittagessen saßen wir nachmittags im großen Zeichensaal auf Einladung des Ehemaligenbundes an schön geschmückter Tafel, Kollegium und Abiturientinnen waren gekommen. Es ging an allen Tischen sehr lebhaft und fröhlich zu, und wir „Goldnen“ wurden fürsorglich betreut von der Jugend, die uns zum Schluss noch hübsche Blumen überreichten. Anschließend wurde uns erlaubt, die Schule zu durchwandern: im Physiksaal zwei Filme über Schulleben und Landheim, eine Vorführung finnischer Tänze in der neuen modernen Turnhalle, alles Dinge, die es früher noch nicht gab, trotzdem haben wir in Erinnerung vergangener Zeiten auch damals (Anfang des Jahrhunderts) unsere Schule als ganz modern und schön empfunden.“

Im nächsten Jahr 1965 überraschten uns die anwesenden sieben „Goldnen“ mit interessanten Lebensläufen. Leider sind die Reden in der Aula damals noch nicht aufgezeichnet worden. Ich erinnere mich an Frau Pfarrerin a.D. Margarete Gillet, die als Klassenerste zur versammelten Schulgemeinde von dem großen Schicksal dieser Generation, die zwei Weltkriege und die Hungerjahre überstanden hatte, sprach. Sie hatte, was damals für undenkbar gehalten wurde, Theologie studiert und war, wenn ich mich recht erinnere, die erste Pfarrerin in Deutschland geworden.

Eine andere, Frau Dr. Magdalene van Rinsum geb. Fischer, überraschte uns mit ihrem Bericht, dass sie erst mit 67 Jahren sich ihren Wunschtraum erfüllen konnte und ihren Doktor machen konnte. Vorher bei sieben Kindern, Kriegseinsätzen, Bomben und Hungerjahren nach dem Krieg war dafür keine Zeit gewesen. In der Rückschau war es während des ersten Weltkrieges und den Anfangszwanzigern ungewöhnlich und schwierig, dass Frauen eine Universität absolvierten. Ganz zu schweigen davon, dass dazu eine den Männern überlegene Intelligenz gehörte. Seit 1908 wurde erstmals in Preußen ein Frauenstudium zugelassen. Erst 1919 erhielten die Frauen das Wahlrecht.

Das Studium wurde von den Abiturientinnen in verstärktem Maße aufgenommen; dabei muss man aber berücksichtigen, dass das Abitur als Abschluss der Mädchenbildung nach dem ersten Weltkrieg immer noch die Ausnahme war. Das bezeugt an der Sophienschule auch das Nebeneinander von Lyzeum und realgymnasialer und gym-nasialer Studienanstalt. Die Abgängerklassen des Lyzeums waren weitaus stärker als die Abiturklassen.

Das „Goldne Abitur“ nahm seinen Lauf und wurde fortan jährlich gefeiert. Die Begeis-terung der „Goldnen“, die sich z.T. viele Jahre nicht gesehen hatten oder gänzlich aus den Augen verloren hatten, war jedes Jahr groß, und bei der Abiturfeier in der Aula wurden die „Goldnen“ gern gesehene Gäste, trug ihre Anwesenheit doch dazu bei, das Ansehen der Sophienschule in traditioneller Weise zu heben.

Die Rede einer „Goldnen“ spiegelte immer ein Stück lebendige Geschichte wieder, und die Gespräche zwischen Grünen und Goldnen haben einen lebhaften Erfahrens-austausch gebracht. In diesem Jahr 2000 werden wir den Abiturjahrgang 1950 bei uns haben, d.h. 37 Jahre schon kommen jährlich die „Goldnen“ in ihre „alte“ Schule und lassen Erinnerungen aufleben. Ein Tenor ist von allen zu hören: Die Sophien-schule hat mit ihrer engagierten Lehrerschaft ein umfassendes Wissen im christlich-humanistischen Geist vermittelt, das die „Sophien“ für ihr ganzes weiteres Leben geprägt hat.

Wir, vom Vorstand der Ehemaligen, wünschen, dass diese Tradition, die ein so leben-diges Bild von unserer 100 Jahre alten Schule gibt, sich weiter vererbt und auch für die zukünftigen Generationen Bestand haben wird.

Charlotte Hüser geb. Schulz, „Goldne“ 1987



 

 

.© 2002 Sophienschule Hannover