Auch
dies gehört zu einem Jubiläum, die Zeit 1939-1945 |
Als
gebürtiger Hannoveraner, aufgewachsen in der Gellertstraße,
damals Hausnummer 53, heute Nr. 20, erlebte ich als kleiner Bub im Alter
von 8½ Jahren den Bombenangriff auf Hannover im Oktober 1943. Die
Mehrzahl kinderreicher Familien war evakuiert. Für eine Woche holte
mich meine Mutter heim aus Blankenburg/Harz. Die Zeit vom Fliegeralarm
bis zum Eintreffen der Bomberverbände reichte oftmals nicht aus, den
als sicher geltenden Lönsbunker Ecke Ellern-/Lönsstraße
zu erreichen. Hier boten die Kellerräume der Sophienschule Zuflucht.
Diese waren teilweise ausgebaut als Luftschutzraum, offiziell abgekürzt
>LSR<. Auf der Rückseite des Schulhofes, zum Grundstück Gellertstr.
53, war eine Tür für Notfälle vorhanden.
In einer der Bombennächte
im Oktober 1943, kurz nach dem Voralarm, kamen Anwohner im Eilschritt aus
der benachbarten Umgebung, um die Kellerräume in der „Sophie“ aufzusuchen,
darunter meine Mutter mit meinem jüngsten Bruder auf dem Arm und ich
selbst mit zögerndem Schritt hinterher. Langsam segelten strahlende
Lichterbäume über den Himmel – auch Tannenbäume genannt
– und tauchten die Umgebung in ein fahles Licht: ein unvergessliches Erlebnis.
Diese für mögliche Ziele zum Bombenabwurf markierten Bereiche
brachten für viele Zivilisten die tödliche Last und legten unzählige
Gebäude in Schutt und Asche. Nach kurzem Aufenthalt in den Kellerräumen
der Sophienschule vernahm jeder das Dröhnen der viermotorigen Bomberverbände,
begleitet von pfeifenden Geräuschen und dumpfen Detonationen. Plötzlich
flackerte das Licht und ging schließlich ganz aus! Zigarrenhändler
Kalb vom Emmichplatz, das habe ich bis heute nicht vergessen, schrie „Das
ist das Ende“ und wollte den Kellerraum verlassen. Der Luftschutzwart griff
ein und wies alle Männer an zu helfen. Es handelte sich vorwiegend
um ältere Männer im Rentenalter und auch zum kleinen Teil um
Soldaten auf Fronturlaub. Die Parole lautete: Der Dachstuhl brennt und
die Turnhalle ist von einer Sprengbombe getroffen. Es war nur ein schwacher
Schein von Taschenlampen vorhanden. Angst und Schrecken breiteten sich
aus. Soweit ich mich erinnern kann, ist es offen-sichtlich dem tatkräftigen
Einsatz des Hausmeisters zusammen mit dem Luftschutzwart und einigen Männern
gelungen, den Brand erfolgreich zu bekämpfen, so dass die Schule gerettet
werden konnte. Als Hilfsmittel standen auf jeder Etage bereit: Eimer, jeweils
gefüllt mit Sand und Wasser, Feuerpatschen, Schaufeln sowie Feuer-Handspritzen.
Nach einer Weile heulten die Sirenen Entwarnung. Wir wollten alle den Schutzraum
verlassen über den Schulhof; dies war aber nicht möglich. Der
Schulhof war übersät von Stabbrandbomben. Die steckten im Asphalt,
spritzten Feuer und Rauch im rötlich, schwefelgelben Schein. Wir verließen
den Luftschutzraum durch den Haupteingang der Sophienschule, bogen rechts
ab, in Richtung Ellernstraße. Das Eckhaus Seelhorst-/Ellernstraße
war größtenteils zerstört durch die Wucht einer Luftmine.
Der Himmel war glutrot erleuchtet von den wütenden Bränden; es
knisterte und die Luft war erfüllt von beißendem Brandgeruch.
Über Umwege erreichten wir die Gellertstrasse. Das Haus stand, war
getroffen von zwei Brandbomben, die der Luftschutzwart aber rechtzeitig
beseitigen konnte. Und, zum guten Schluss: Mein Opa saß im Dunkeln
in der Küche in einer Sofaecke mit gefalteten Händen; die Fenster
waren durch den Luftdruck zerstört. Als gottesfürchtiger Mann
ging er grundsätzlich nie in einen Luftschutzkeller oder Bunker.
Das Ende der Kriegszeit habe
ich zusammen mit meinen Geschwistern im Raum Blankenburg überlebt.
Heinz Mohrhoff
. |
|