JÜDISCHE SCHÜLERINNEN 
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Die Situation jüdischer Schülerinnen
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an der Sophienschule in der Zeit des Nationalsozialismus 
(1933-1938) 

unter besonderer Berücksichtigung der Lebensgeschichten von 
Renate Modern geb. Herzfeld, 
Margot Datz geb. Friedmann 
und Beate Steinitz

Neben den unzähligen positiven Ereignissen, an die anlässlich der 100-Jahr-Feier der Sophienschule erinnert werden soll, darf ein negatives Kapitel nicht unerwähnt bleiben: die Situation von jüdischen Schülerinnen an der Schule während des Nationalsozialismus.
Bereits am 25. April 1933, einen Monat nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde das Gesetz „gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ erlassen. Es besagte, dass nur 1,5% der Schülerinnen einer Schule Jüdinnen sein durften. Jüdische Schülerinnen konnten nur dann neu aufgenommen werden, wenn die Quote unterschritten wurde. Von dieser Regel ausgenommen waren die jüdischen Schülerinnen, deren Väter im Ersten Weltkrieg Frontkämpfer waren, wovon sehr viele Eltern Gebrauch machten. Denn die Sophienschule war vor 1933 eine der Schulen mit dem höchsten Anteil an jüdischen Schülerinnen. 1935 waren von 540 Schülerinnen 39 Jüdinnen. Diese damals sehr hohe Zahl ergab sich dadurch, dass 30 von ihnen Väter hatten, die nachweisen konnten, im Ersten Weltkrieg Frontkämpfer gewesen zu sein. Auch Schülerinnen, die ein arisches Elternteil bzw. zwei arische Großelternteile hatten, wurden wie arische Schülerinnen gezählt. Auch diese Ausnahme versuchten viele Eltern zu nutzen. Dies wird in einem Brief von Rechtsanwalt Hans Wolfes an den Schulleiter vom 17. August 1934 besonders deutlich: „Auf den Hinweis meiner Frau, dass sie, die Mutter des Kindes, Arierin sei und daher nach den gesetzlichen Bestimmungen ihrer Aufnahme von dem Prozentsatz unabhängig sei [...]. Ich darf nunmehr wohl erwarten, dass Sie mir unverzüglich bestätigen, dass unsere Tochter Ruth in die Sophienschule aufgenommen ist, da wir naturgemäß daran ein sehr großes Interesse haben.“

Natürlich waren es nicht die Schule und die Lehrer/innen, die ursächlich dafür verantwortlich waren, dass immer mehr jüdische Schülerinnen in den Jahren von 1933 bis 1938 die Sophienschule verlassen haben. Der Schulleiter Dr. Wülker hat z.B. versucht, weiterhin so vielen Jüdinnen wie möglich den Schulbesuch an der Schule zu ermöglichen, indem er den Prozentsatz jedes Mal ausgeschöpft hat. Inwieweit jedoch einzelne Lehrerinnen und Lehrer sowie auch Schülerinnen in dieser schwierigen Zeit trotz der politischen Vorgaben und Indoktrination Zivilcourage gezeigt haben oder eben auch nicht, möchte ich anhand der Lebensgeschichten von Renate Modern geb. Herzfeld, von Margot Datz geb. Friedmann und von Beate Steinitz ansatzweise beleuchten.

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Renate Herzfeld Renate Herzfeld-Modern besuchte genau wie ihre zwei Jahre ältere Schwester Edith die Sophienschule bis zu ihrer Auswanderung im März 1937. Sie wurde 1932 eingeschult, zwei Jahre nach ihrer Schwester. Beide stammten aus einer bekannten hannoverschen Familie, der Familie Herzfeld. Ihr Urgroßvater väterlicherseits, Prof. Dr. Levi Herzfeld, war Braunschweigischer Landesrabbiner und gleichzeitig Geschichts- und Altertumsforscher. Für seine Forschungsarbeiten verlieh ihm der Herzog von Braunschweig 1879 den Professorentitel. Man bezeichnet ihn als eine der ersten jüdischen liberal denkenden Pesönlichkeiten. Er schrieb viele Bücher von bleibendem Wert.

Dem Vater von Renate, Dr. Adolf Herzfeld, gehörte zusammen mit seinem Schwiegervater Hermann Philipp Wolfes und dessen Bruder Siegfried Wolfes das Bank- und Getreidegeschäft „Gebrüder Wolfes“ in Hannover. Adolf Herzfeld hatte im 1. Weltkrieg gedient, er war Oberleutnant und Träger des Eisernen Kreuzes Erster und Zweiter Klasse, während Hermann Wolfes, der zu alt für den Kriegseinsatz war, von Kaiser Wilhelm II den Roten Adlerorden 4. Klasse bekommen hatte. Adolf Herzfeld und Hermann Wolfes waren beide in Hannover zu Handelsrichtern ernannt worden.

Die Familie Herzfeld gehörte zu einem großen Kreis in Hannover lebender assimilierter Juden. Die Eltern hatten wohl mehr christliche als jüdische Freunde. Schon Renates Mutter, Lisbeth Herzfeld geb. Wolfes, hatte die Sophienschule besucht. Welches Ansehen die Familie bis 1933 hatte, wird besonders deutlich an ihrem Gästebuch, das heute im Besitz des Sprengelmuseums ist. Persönlichkeiten wie Kurt Schwitters, Käthe Steinitz und Friedrich Vordemberge-Gildewart haben sich darin verewigt.

Renate Herzfeld war 10½ Jahre alt, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Zunächst bekam sie nur versteckte Hinweise, dass sie von nun an anders sein sollte bzw. anders behandelt wurde. Einige Mitschülerinnen luden sie nicht mehr zu ihren Geburtstagsfeiern ein oder verabredeten sich seltener mit ihr als vorher. Niemand sprach mit ihr offen über die Gründe. So blieb diese Frage nach dem WArum für sie bestehen. Erst ihre beste Freundin und Nachbarin, Ilse Haensch, die schon seit früher Kindheit mit Renate befreundet war, machte 1935 Andeutungen, ihr Dienstmädchen habe ihr gesagt, sie solle sich nicht mehr mit Renate treffen, da ihre Familie Juden seien. Beide verstanden dies nicht und kümmerten sich nicht darum. Es wurde eine Freundschaft fürs Leben. Renate hatte auch gute, wunderbare „arische“ Freundinnen in ihrer Klasse, die zu ihr hielten und trotz aller Hetze von draußen weiter mit ihr verkehrten und unerschrocken Kontakt zu ihr hatten. Von diesen verbindet sie mit einer Gruppe, die noch in oder bei Hannover lebt, bis heute eine „herzerwärmende“ Freundschaft, die nach einer Pause während des Krieges wieder auflebte und tiefe Wurzeln hat.

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Margot Datz geb. Friedmann Andere jüdische Schülerinnen dagegen haben schon zu dieser Zeit unter den Ausgrenzungen in der Schule stärker gelitten. Margot Datz geb. Friedmann weigerte sich bereits zu diesem Zeitpunkt, weiter zur Schule zu gehen. Sie hatte das Gefühl, einer ihrer Lehrer würde ihre Mitschülerinnen gegen sie aufhetzen. Das wird deutlich an dem folgenden Zitat aus einem Brief von Frau Datz an mich: „Ich fühlte mich sehr gut in der Schule und hatte auch viele Freundinnen. Die Lehrer waren gut, und alles klappte. Eines Tages erschien ein gewisser Studienrat S. und fing an, alle gegen die Juden aufzuhetzen. Wenn ich etwas sagte, das ihm nicht gefiel, sagte er: ‚Du sei still, Du hast eine Freistelle.‘ Vielleicht war ich auch nicht demütig genug.“ Ihre Eltern konnten das Schulgeld nicht bezahlen, und sie waren daher sehr stolz, dass Margot aufgrund ihrer Leistungen einen Freiplatz bekommen hatte. Die Situation ihrer Tochter wurde für sie jedoch so unerträglich, dass sie bereits 1934 mit ihr nach Palästina emigrierten, wo Margot Datz bis heute lebt. Kontakt zu Deutschland wollte sie nie mehr haben. Mit den Jahren ist ihre Betroffenheit geringer geworden. Sie hat ihre damalige beste Freundin, die sie schon aus der Zeit vor dem Eintritt in die Sophienschule kannte und die ihr nach ihrer Auswanderung noch eine Zeit lang geschrieben hatte, zweimal in Deutschland besucht. Die öffentliche Einladung der Stadt will sie bis heute nicht annehmen. Auch einen offiziellen Kontakt zur Sophienschule lehnt sie ab. Sie hat jedoch inzwischen auch Kontakt zu ihrer ehemaligen Mitschülerin Elisabeth Klein und war bereit, mir Auskunft über ihre Zeit an der Sophienschule zu geben. Die Briefe zeigen, welche schrecklichen Spuren die Ereignisse bei ihr hinterlassen haben. Bis heute hat sie ihr Poesiealbum aufgehoben, in dem neben den üblichen freundlichen Sprüchen von Mitschülerinnen anonym auf die letzte Seite geschrieben wurde „Deutschland erwecke, Juda verrecke.“

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Beate Steinitz Welche Gefühle ihre Mitschülerin Beate Steinitz hatte, die bereits vor 1933 aufgrund der Andersartigkeit ihres Elternhauses Ablehnung erfuhr, kann nur erahnt werden.

„Einmal kam in unsere Schule ein Mädchen jüdischer Abstammung. Der Vater war Arzt, und sie waren umgezogen, direkt gegenüber der Schule. Die Eltern ließen den Kindern die Freiheit, sich einer Religion nach ihrer Ansicht anzuschließen, und wirklich war eine Schwester katholisch, eine andere evangelisch. Die Mutter lud die ganze Klasse ein. Sie trug Hosen, allerdings sehr schöne, was damals ungewöhnlich war. Sie hatten keine Tapete, sondern weiße Wände. Sie konnte nicht gotisch schreiben, nur lateinisch. Alle lachten sie aus, besonders nach dem Besuch, Mutter trägt Hosen, Wände ohne Tapeten! Ich lachte sie aus mit allen anderen zusammen, bis sie mir im Poesiealbum schrieb: ‚Ursprünglich eigenen Sinn lass Dir nicht rauben. Woran die Menge glaubt, ist leicht zu glauben.‘ Danach bekam ich Gewissensbisse und habe mich mit ihr befreundet. Ich brachte sie mit mir in den jüdischen Jugendbund“ schrieb Margot Datz in einem Brief an mich.

Nach der Amtsübernahme der Nationalsozialisten wurde es für Familie Steinitz noch schwieriger, da sie nicht nur Juden, sondern seit 1933 Mitglieder der SPD waren und die Mutter Käthe Steinitz zum Merz-Kreis um Schwitters gehörte, dessen Kunst von den Nationalsozialisten zur „Entarteten Kunst“ gezählt wurde. Familie Steinitz wanderte 1936 in die USA aus. Nur Beate Steinitz, die jüngste der drei Schwestern, emigrierte mit 16 Jahren ohne ihre Eltern nach Palästina, da sie inzwischen Anhängerin des Zionismus geworden war. Wie es dazu kam, dass sie trotz ihrer freidenkenden Eltern zu dem Glauben ihrer Vorfahren zurückgekehrt ist, kann nicht mehr eindeutig festgestellt werden. Es ist aber zu vermuten, dass 
dabei u.a. eine Rolle gespielt hat, dass die jüdischen Schülerinnen auch an der Sophienschule an keinem Religionsunterricht mehr teilnehmen durften. Ein umfang-reicher Briefwechsel in der Schulakte zeigt, dass viele jüdische Eltern sich daraufhin entschlossen haben, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, die Schülerinnen vom Samstagsunterricht befreien zu lassen, damit sie die Synagoge besuchen konnten.

Beate Steinitz starb bereits im Jahre 1941 mit 21 Jahren in einem Kibbuz an einer „spanischen Grippe“.

Nach 1934 hat auch Renate Herzfeld direkte Anfeindungen erlebt, aber nur ein einziges Mal. Als sie durch den Wald ging, riefen andere Kinder ihr irgendetwas Negatives in Bezug auf ihre jüdische Herkunft nach. Seitdem ging sie nicht mehr durch den Wald zur Turnstunde. In der Schule versuchte sie, indem sie besonders brav und fleißig war, zu zeigen, dass Juden keine schlechten Menschen sind. Die meisten Lehrerinnen haben sie genauso behandelt wie alle anderen Schülerinnen, und sie war auch mehrfach Klassensprecherin. Nur das Verhalten von Herrn Denker ihr gegenüber ist ihr negativ in Erinnerung geblieben. Sie hatte das Gefühl, er würde sie durch Nichtbeachtung bestrafen. Die ganze Klasse musste ein Gedicht auswendig lernen. Sie bereitete sich jedes Mal vor seiner Stunde besonders gut vor. Doch er ließ sie als einzige das Gedicht nie aufsagen. Das ist nicht ohne Konsequenzen geblieben. Sie erinnert sich in einem der Interviews mit mir: „Aus einem lebhaften jungen Mädchen, das gerne Gedichte schrieb und rezitierte, wurde ein stilles.“

In der Sophienschule gab es alle Typen von Lehrern; einige von ihnen erkannten wohl die Ungerechtigkeit des Naziregimes und hielten, soweit möglich, zu den Verfolgten. Ein Beispiel dafür ist der Schulleiter Dr. Wülker, der sich dafür eingesetzt hat, den jüdischen Schülerinnen auch nach 1935 den Landheimbesuch zu ermöglichen, was nach einer Verschärfung der Gesetze gegen Juden verboten war. Sein letzter Versuch, jüdische Schülerinnen mit ins Landheim zu nehmen, indem er den Kompromissvorschlag machte, sie in getrennten Räumen unterzubringen, fand bei den zuständigen Behörden keine Zustimmung.

Aus diesem Grund musste Renate Herzfeld 1936 als Einzige eine Woche in die Parallelklasse gehen, während ihre Klasse ins Landheim fuhr. Diese eine Woche war für sie mit das Schlimmste, was sie in ihren letzten vier Jahren im Nazideutschland erlebt hat. Sie hatte das Gefühl, von jedem beobachtet zu werden. Normalerweise gibt es gute Gründe, die zu einem Ausschluss von Klassenfahrten führen. Sie konnte die Gründe für ihren Ausschluss nur schwer verstehen. Der Klassenlehrer von Renate leistete stillen Widerstand, indem er bei ihrem Abschied 1937 Tränen in den Augen hatte. Sie sagt bis heute über ihn: „Günther Cordes war ein hervorragender Lehrer, gerecht und unbeeinflusst vom Nationalsozialismus, er fiel später fürs Vaterland.“

Einige Sophienschülerinnen plagen bis heute Schuldgefühle, weil sie im entscheidenden Moment nicht die Zivilcourage besessen haben, die sie gerne gezeigt hätten. Ein Beispiel hierfür ist Elisabeth Fetter, heute Klein. Sie besuchte die Sophien-schule von 1930 bis 1936 und hatte zu Beginn mehrere jüdische Mitschülerinnen. Mit Hilde Brandt, heute Gardener, einer der jüdischen Schülerinnen, war sie gut befreundet. Diese blieb mit ihren Eltern bis Ende 1935/Anfang 1936. Sie verließ vor ihrem Abschluss die Schule freiwillig, um mit ihren Eltern zunächst in die Schweiz und dann in die USA zu emigrieren. Kurz bevor Familie Brandt Deutschland verlassen haben soll, sah Elisabeth Fetter Hilde Brandt noch ein letztes Mal. Sie war mit anderen Freundinnen und einer BDM-Führerin unterwegs, als Hilde Brandt mit ihren Eltern im Auto vorbeifuhr. Hilde Brandt hat gelächelt und gewunken. Doch Elisabeth Fetter traute sich nicht, zurückzuwinken. Es war das letzte Mal, dass Elisabeth Fetter Hilde Brandt sah. Bis heute hat sie immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn sie daran denkt, wie das Lächeln im Gesicht von Hilde Brandt erstarb.

Renate Herzfeld-Moderns Vater hatte im Jahre 1936 überlegt, nach Palästina auszuwandern, jedoch nicht aus Glaubensgründen, sondern um sich dort mit seiner Familie eine neue Existenz und eine Zementfabrik aufzubauen. Mangels Kapital scheiterte der Plan. Tatsächlich ist Familie Herzfeld ein Jahr später, im März 1937, nach Holland ausgewandert. Hier blieben sie allerdings nur 5 Monate und wanderten über England nach Brasilien aus, da sich die politische Brisanz auf dem europäischen Kontinent verstärkte. Brasilien hatten sie aus Vernunftgründen ausgewählt, weil sie nur eine begrenzte Summe Geld mitnehmen durften und in Brasilien ihr Geld mehr wert war als in den USA. Renate Herzfeld besuchte in Rio de Janeiro die Schule und lernte Portugiesisch.

Fast zur gleichen Zeit, seit Ende 1938, durften jüdische Schülerinnen in Deutschland keine arischen Schulen mehr besuchen. Die Eltern der wahrscheinlich beiden letzten Volljüdinnen (Weinberg und Frensdorf), die die Sophienschule besucht haben, wurden am 14.11.1938 vom neuen Schulleiter Herrn Bartels schriftlich vor die Wahl gestellt, ihre Töchter freiwillig von der Schule zu nehmen oder zu warten, bis der Schulleiter sie beurlauben würde. Mit dem Gesetz, das keine Jüdin mehr auf einer arischen Schule zuließ, begann die dritte Phase der Judenverfolgung in Deutschland. Bis dahin hatten zwar schon die meisten jüdischen Schülerinnen die Sophienschule und größtenteils auch Deutschland verlassen, jedoch immer mehr oder weniger ‚freiwillig‘.

Renate Herzfeld-Modern hat später einen Mann geheiratet, der auch als Jude aus Deutschland hatte fliehen müssen. Mit ihm lebt sie bis heute in São Paulo, hat aber inzwischen auch eine Wohnung in München. Beide kommen einmal im Jahr für mehre Monate nach Europa und besuchen fast jedes Mal auch Hannover. Renate Modern hat sich einige Jahre nach Beendigung des Krieges um die Wiedererlangung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit bemüht. Sie verspürte weder damals noch heute Hass gegenüber einzelnen Personen bzw. gegenüber Deutschland. Ihre problematische Kindheit im Nazideutschland, ihre Emigration, ihr anfangs entbehrungsreiches Leben in Brasilien und der Verlust von Familienangehörigen durch den Holocaust haben einen Großteil dazu beigetragen, dass sie heute eine Bahá’í Anhängerin ist und sich aktiv für die Einigung der Menschheit, allgemeine Aufklärung und den Weltfrieden einsetzt. Schon ihr eingangs erwähnter Urgroßvater, Prof. Dr. Levi Herzfeld, setzte sich sehr für die Annäherung der Religionen, für den gegenseitigen Respekt und das wachsende Verständnis aller Menschen ein. Das wird deutlich an einem Zitat aus seiner Predigt kurz nach Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges (1871): „Jede einzelne Religion hat ihren eigenen Entwicklungsgang durchzumachen, aber das Ende aller Entwicklung auf diesem Gebiete muss sein, dass die ausgewachsene Menschheit eine allen gemeinsame Religion besitzt, zu welcher jede einzelne von eigenem höheren Gehalt ihr Bestes beigesteuert hat.“

Renate Herzfeld-Moderns Haltung wird durch ihren Kommentar zu der oben zitierten Predigt ihres Urgroßvaters Levi Herzfeld besonders gut verdeutlicht: „Dabei wusste Levi Herzfeld nicht, dass der Reifeprozess der Menschheit innerhalb der nächsten Generation einen unvorstellbaren und gewaltigen Rückschritt machen würde, der anscheinend unvermeidbar war auf dem schweren Weg der Entwicklung. Jedoch wusste Levi Herzfeld, dass die wichtigsten Lehren seiner Religion ‚sich über die ganze Menschheit verbreiten‘ würden und dass im Ablauf der geschichtlichen Ereignisse, die leider mit so unaussprechlichen Leiden verbunden waren und mancherorts noch sind, die ersten Anzeichen dieser Entwicklung zum Vorschein kommen würden wie Blumen, die aus Trümmern hervorsprießen und die man heute schon in allen Teilen der Welt, wenn auch zart, beobachten kann.“

Vergleicht man die drei Lebenswege von Renate Herzfeld-Modern, Margot Datz und Beate Steinitz miteinander, dann sieht man, wie unterschiedlich sich die Erfahrungen mit Lehrern, Lehrerinnen und Mitschülerinnen in der Nazizeit auf die verschiedenen Mädchen ausgewirkt haben.

Es steht mir weder zu, über das Verhalten der einzelnen Lehrer, Lehrerinnen und Schülerinnen der damaligen Zeit zu urteilen noch die unterschiedlichen Reaktionen der drei jüdischen Mädchen zu bewerten. Ich möchte aber das für mich bemerkenswerte Verhalten von Renate Herzfeld-Modern hervorheben, die trotz allem, was sie erlebt hat, den beneidenswerten Glauben an das Gute im Menschen nie verloren hat. Sie ist für mich damit zu einem Vorbild geworden.

Nina Alexandra Rubbel

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