LEIBNIZ UND DIE KURFÜRSTIN
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Leibniz und die Kurfürstin
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Jeder hat es schon einmal gesehen, aber es ist Opfer der selektiven Wahrnehmung.

Auf meine Frage nach dem großen schönen Bild im ersten Stock waren typische Schülerantworten: „Hängt da ein Bild?... Ach das, wo die vielen Leute drauf ‘rumstehen!... Ach so, das riesige Bild mit den vornehmen Personen! ... Ich glaube, eine Landschaft ist auch noch im Hintergrund ... Ein typisches Bild zum Dranvorbeigehen ... Eigentlich finde ich es ganz schön, es gehört einfach dazu.“

Wer sind nun die vornehmen Leute im Einzelnen? Nachfragen im Kollegium beruhigten mich: Ich war also nicht die einzige, die außer Kurfürstin Sophie und Leibniz niemanden zu identifizieren wusste. Aber es gab ja Frau Asbahr, die mir freundlicherweise alle Informationen zukommen ließ, die sie bezüglich des Bildes auftreiben konnte.

„Wenn wir uns das vertraute Bild unserer Schule ins Gedächtnis zurückrufen, finden wir Sophie im Gespräch mit Leibniz inmitten ihres Musenhofes. So wird sie oft mit Charbonnier, dem Gartenmeister, Tomasio Giusti, dem Hofmaler, Steffani ... zusammengekommen sein, um über die Ausgestaltung in Herrenhausen zu sprechen.“ (Aus: Neue Grüße der Sophienschule, Nr. 28, Dezember 1964). Aha! Und wer ist nun der Gartenmeister, wer der Hofmaler, wer ...? Außerdem, wer aus ihrem Musen-hof durfte eigentlich seine Hand auf Sophies Stuhllehne legen?

Also weiter: „Vor sich, ganz nahe, auf der breiten Wand, hinter welcher der Zeichensaal liegt, sieht man die Kurfürstin Sophie mit ihren Kindern und ihrem Hofstaat im Gespräch mit Leibniz ...“ (Aus: Grüße der Sophienschule, Nr.38, März 1975).

So, jetzt nur noch Kinder und Hofstaat auseinandersortieren. Dabei konnte man sich wieder an das Bild selber halten. Die durch Größe, Anordnung und Körperhaltung hervorgehobenen Personen mussten die Kinder sein. Gut, dass mir Frau Asbahr auch eine Stammtafel der Welfen geschickt hatte. Dort zählte ich acht (!) Kinder der Kurfürstin. Mehr als auf dem ganzen Bild insgesamt an Personen vorhanden sind! Außerdem mussten ja auch noch einige für den Hofstaat übrig bleiben. Endlich! „Mit (...) einem die Hauptwand der Aula schmückenden Gemälde, welches die Kurfürstin zwischen Georg Ludwig, dem ersten König von England aus dem Hause Hannover, und Sophie Charlotte, der ersten Königin von Preußen, auf einer Terrasse im Garten zu Herrenhausen sitzend im Gespräch mit Leibniz dargestellt (...)“ (aus: „Zeitschrift für weibliche Bildung“, Juni 1900). Man musste eben doch nur die richtigen Zeitschriften lesen! Die beiden Kinder also, die es „zu etwas gebracht haben“, wurden für das Bild ausgewählt.

Ob die drei Personen, die jetzt noch übrig waren, der Gartenmeister oder der Hofmeister oder der ... sind, konnte ich nun getrost ignorieren. Schließlich hat der Maler Dieckmann durch seine Bildgestaltung hinreichend deutlich gemacht, welche Personen wichtig sind und welche mehr Staffagefunktion erfüllen. Vielleicht hätte es dem Bild ganz gut getan, wenn er die Staffagefiguren weggelassen hätte, aber eine gewisse Überladenheit entsprach dem Zeitgeschmack (1899). Genau genommen gibt es sogar neun Personen auf dem Bild. Ich habe nämlich bisher das Paar in Rückenansicht unterschlagen, das im Hintergrund lustwandelt. Nun zurück zu den Schülern. Dass die 11 LE das Ergebnis meiner Recherchen nicht so spannend fand, hatte ich erwartet. Auf meinen Vorschlag, sich dem Bild auf „praktisch-produktive Weise“ zu nähern, ging sie engagiert ein. Beim „Nachstellen“ der Bildszene musste man sich sowohl mit dem Bild befassen als auch eigene Ideen entwickeln.

Traute Jäckel

 

 

Sophienschule, Leinwandgemälde
Endzustand
Gesamtaufnahme

.© 2002 Sophienschule Hannover